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Error

Error

Titel: Error Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Stephenson
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dann noch zu tun?«
    Devin zuckte mit den Achseln. »Sich gegenseitig umbringen?«
    »Das ist ja schon mal was.«

Dritter Tag
    »Hey, Süße, jetzt kommst du schon zum dritten Mal hier vorbei, lass mich dich von deinen Qualen befreien!«
    Die Stimme war ein selbstbewusster Alt: jemand mit einem feinen Ohr für Aussprache, auch wenn sie bestimmte Redewendungen nicht ganz sicher beherrschte. Zula fuhr auf dem Absatz herum, ehe sie ihren Blick um zwanzig Grad senkte und ein – irgendwie vertrautes – Gesicht entdeckte, das sie aus einem Meter fünfundfünfzig über Straßenhöhe anlächelte.
    Das war die Frau – nein, das Mädchen – nein, die Frau –, die ihr gestern Nachmittag auf der Straße ein Kilo Grüntee verkauft hatte. Ein Kilo war ganz schön viel. Aber sie hatte es zu dem Zeitpunkt wie einen durchaus vernünftigen Gedanken erscheinen lassen.
    Das Rätsel, ob Mädchen oder Frau, war unlösbar. Sie war schlank und zierlich, für Chinesinnen nicht besonders ungewöhnlich. Sie hatte einen Kurzhaarschnitt, das war ungewöhnlich. Allerdings schien es kein Modestatement zu sein, denn sie trug Bluejeans und kniehohe hellblaue Schlupfstiefel – so wie Arbeiter sie anhaben, wenn sie ein Bootsdeck schrubben oder in einem Reisfeld umherwaten. Ein schwarzes T-Shirt und eine schwarze Weste vervollständigten das Ganze. Kein Make-up. Kein Schmuck, abgesehen von einer an ihrem Handgelenk klobig wirkenden Herrenuhr. Die Frau war so fest im Boden verwurzelt, dass Zula immer wieder hinschauen musste: In Schulterbreite pflanzte sie die Stiefel auf den Asphalt und stand aufrecht vor der Person, mit der sie gerade sprach, hin und wieder, wenn etwas sie amüsierte oder begeisterte, leicht auf den Fußballen wippend. Ihr Selbstvertrauen ließ sie wie vierzig wirken, ihre Haut dagegen war die einer Zwanzigjährigen, sodass Zula zu dem Schluss kam, dass sie jung, aber auf eine Weise sonderbar war, die man nicht auf Anhieb einordnen konnte.
    Nicht alle jungen Frauen hier trugen Highheels und Kleider, aber immerhin doch so viele, dass diese Tee verkaufende Frau sich so, wie sie aussah, deutlich von der breiten Masse absetzte. Und dennoch hatte Zula nicht den Eindruck von aggressivem Nonkonformismus. Sie gab nicht bewusst irgendein Statement ab. So war sie einfach.
    Gestern Nachmittag war sie auf Zula zugegangen und hatte ein Gespräch mit ihr angefangen. Zula, Csongor und Sokolow hatten eine Straße gefunden, in der eine Reihe von Teehändlern ihre Verkaufsstände betrieben, und Zula ließ, während sie versuchte, sich für einen zu entscheiden, und sich innerlich auf eine weitere Runde Feilschen vorbereitete, ihren Blick darüberwandern. Und dann hatte plötzlich diese Frau vor ihr gestanden, die blauen Stiefel aufgepflanzt, ein selbstbewusstes Lächeln auf den Lippen, und in eigenartig umgangssprachlichem Englisch eine Unterhaltung mit ihr begonnen. Und nach ein oder zwei Minuten hatte sie, scheinbar aus dem Nichts, diese Riesenmenge Grüntee hervorgezaubert und Zula eine Geschichte darüber erzählt. Dass sie und ihr Volk – dessen Namen Zula vergessen hatte, aber Blaustiefel legte Wert auf die Feststellung, dass es eine eigene ethnische Gruppe war – weit oben in den Bergen des westlichen Fujian lebten. Vor zigtausend Jahren seien sie dort hinaufgejagt worden und lebten in Festungen auf nebligen Bergspitzen. Folglich gebe es flussaufwärts von ihnen niemanden mehr – das Wasser laufe sauber vom Himmel, kein industrielles Abwasser verunreinige ihren Ackerboden und werde es auch nie tun. Danach hatte Blaustiefel noch einige andere Vorzüge der Gegend aufgezählt und erklärt, wie diese hervorragenden Eigenschaften die Teeblätter auf molekularer Ebene durchdrungen hätten und wie sie auf Körper, Geist und Seele von Menschen übertragen werden könnten, die dazu verdammt seien, in nicht so gesegneten Gefilden zu leben, indem diese einfach große Mengen von besagtem Tee tränken. Ein Kilogramm davon sei im Nu weg, und Zula werde nach mehr betteln. Ihn in Amerika zu kaufen sei jedoch schwierig. Apropos, Blaustiefel sei sehr daran interessiert, einen Vertriebspartner für die westliche Hemisphäre zu finden, und Zula scheine ihr eine geeignete Kandidatin dafür zu sein …
    Wäre Zula eine Touristin gewesen, die einfach nur ihre Ruhe haben wollte, hätte sie Blaustiefel nach einer Weile satt gehabt. Unter den gegebenen Umständen aber war sie so froh, ein quasivertrautes Gesicht zu sehen, dass sie den Impuls unterdrücken

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