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musste, das kleine Ding in den Arm zu nehmen.
»Guten Morgen«, sagte Zula. »Du hattest recht. Ich hab den ganzen Tee getrunken.«
»Ha, ha, du redest ja einen Scheiß !«, sagte Blaustiefel
»Stimmt. Heute brauche ich keinen, vielen Dank.«
»Willst du einen Vertriebsvertrag?«
»Nein«, fing Zula an, doch dann erkannte sie, dass Blaustiefel sie nur aufzog, und verstummte.
»Ihr seht so völlig verfranst aus, dass es traurig ist«, sagte Blaustiefel. »In der Straße sprechen schon alle darüber.«
»Wir versuchen, ein wangba zu finden«, sagte Zula.
»Ein Schildkrötenei? Das ist eine ganz schlimme Beleidigung. Gib acht, zu wem du das sagst.«
»Kann sein, dass ich es falsch ausspreche.«
»Auf Englisch?«
»Wir versuchen, ein Internetcafé zu finden«, sagte Zula.
Blaustiefel zog die Nase auf eine Weise kraus, die bei den meisten anderen weiblichen Wesen ihres Alters nach dem Bemühen ausgesehen hätte, besonders süß zu wirken, bei ihr jedoch so rein zu sein schien wie das Gebirgswasser ihrer Heimatregion. »Was haben Internet und Kaffee miteinander zu tun?«
»Café«, sagte Zula, »nicht Kaffee!«
»Ein Café ist ein Ort, wo man Kaffee trinkt!«
»Ja, aber …«
»Wir sind hier in China«, sagte Blaustiefel, so als hätte Zula das noch nicht bemerkt. »Wir trinken Tee. Hast du unser Gespräch von gestern schon vergessen? Ich weiß, für euch sehen wir alle gleich aus …«
»Ich stamme aus Eritrea. Da bauen wir Kaffee an«, sagte Zula schlagfertig.
»Bei uns wäre das eher ein Teehaus als ein Café.«
»Das verstehe ich. Wir suchen aber gar nicht etwas zu trinken. Was wir brauchen, ist Internet.«
»Wie bitte?«
Zula blickte zu Csongor, der müde ein Blatt Papier hochhielt, auf das in chinesischen Schriftzeichen das Wort wangba gedruckt war. Ungefähr seit einer halben Stunde zeigten sie es wahllos Leuten auf der Straße. Alle, die sie ansprachen, schienen zumindest eine vage Vorstellung davon zu haben, wo man so etwas finden könnte, und zeigten, während sie mit ernster Stimme meistens auf Chinesisch, manchmal aber auch auf Englisch antworteten, in die eine oder andere Richtung.
»Warum hast du das nicht gesagt?«, fragte Blaustiefel. Sie streckte den Zeigefinger aus. »Es liegt in dieser Richtung, gleich über …«
Zula schüttelte den Kopf. »Was glaubst du denn, weshalb wir uns so völlig verfranzt haben?«
»Komm, ich bringe euch hin.« Und sie nahm Zulas Hand und zog mit ihr los. Diese Geste fand Zula recht vertraulich, zumindest im Moment war es aber ein schönes Gefühl, jemanden an der Hand zu halten, und so verschränkte sie die Finger mit denen ihrer Führerin und ließ ihren Arm frei schwingen.
Den beiden anderen, selbst Sokolow, erschien es undenkbar, sie daran zu hindern, und so hängten sich Csongor und Sokolow brav an ihre Fersen.
Der Kurzhaarschnitt wurde heftig geschüttelt. »Mann, ihr braucht Übersetzer.«
»Stimmt.«
»Hervorragend!« Blaustiefel ließ Zulas Hand los, blieb stehen, wandte sich ihr zu und streckte ihr die Rechte hin. Automatisch begann Zula, ihre Hand vorzuschieben, bis sie merkte, dass sie im Begriff war, einen verbindlichen Vertrag einzugehen, und zögerte.
»Awwa!«, sagte Blaustiefel und schnipste enttäuscht mit den Fingern. »Fast hätte ich euch in der Hand gehabt.«
»Wir wissen ja nicht mal deinen Namen.«
»Ich deinen auch nicht.«
»Zula Forthrast«, sagte Zula leise. Sie schielte über die Schulter zu Sokolow, der sich geistesabwesend mit seinem gewohnten posttraumatischen Tausendmeterblick umsah. Der Hauch eines Grinsens zeigte sich in ihrem Gesicht.
»Was?«, wollte Blaustiefel wissen.
Zula hörte auf zu lächeln und schüttelte den Kopf. Sie hatte jemandem ihren Namen weitergegeben. Und falls dieser Jemand den Namen googelte, was könnte dabei herauskommen? Vielleicht ein Artikel aus der Seattle Times über eine junge Frau, die auf unerklärliche Weise verschwunden war.
»Ich heiße Qian Yuxia.«
Zula, die ihr ganzes Leben lang die Nase ans Fenster der Glatthaarigen-Welt gepresst hatte, war zusehends besessen von Qian Yuxias Haarschnitt, einer dieser keilförmigen, oben kurzen und hinten längeren Frisuren. Jemand, der Qian Yuxia liebte und sehr gut mit scharfen Gegenständen umgehen konnte, hatte sie gepflegt, und Qian Yuxia hatte das mit derselben Bestimmtheit ignoriert.
»Ist das da, wo du herkommst, ein gebräuchlicher Name?«, fragte Zula, nur um etwas zu sagen.
»Yongding«, erinnerte Yuxia sie. »Wo die
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