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Fensters nur undeutlich zu sehen, kam die Treppe herunter und befand sich gerade in der Biegung des Treppenlaufs. Dieses Gesicht war in verschiedener Hinsicht anders. Vor allem war es ein dunkelhäutiges, was man in diesen Breiten selten sah. Zwei der anderen Da G Shou hatten einmal erwähnt, sie hätten im oberen Korridor des Gebäudes einen Schwarzen gesehen, worauf Marlon gefrotzelt hatte, sie schauten wohl zu viel Basketball im Fernsehen. Es ließ sich aber nicht leugnen, Marlon sah jetzt einen dunkelhäutigen Mann, noch dazu einen ziemlich großen. Er trug ein Gewehr, das Marlon aus Computerspielen als Kalaschnikow AK -47 erkannte. Doch im Gegensatz zu dem ersten Mann bewegte er sich vorsichtig, fast verstohlen.
Als er die Treppenbiegung genommen hatte, drehte der Schwarze Marlon den Rücken zu, stieg noch zwei Stufen hinunter und blieb dort stehen.
Währenddessen hatte Marlon, da er nicht durch irgendeine plötzliche Bewegung auf sich aufmerksam machen wollte, reglos in seiner Haltung verharrt, ließ sich aber jetzt so hastig hinabgleiten, dass er den Halt verlor und für einen Moment nur an einer Hand baumelte, ehe die andere wieder zupacken und er die Füße wieder aufsetzen konnte.
Als er in Sichthöhe des Erdgeschossfensters war, sah er den ersten Mann, den dicken weißen Burschen, mit dem Rücken zu Marlon einem anderen Weißen gegenüberstehen, der anscheinend die Treppe vom Keller heraufgekommen war. Dieser zweite Mann war jung, schlank, hatte lange Haare und einen kräftigen Dreitagebart. Seine Gesichtszüge waren schwer auszumachen, aber seine Körpersprache verriet deutlich, dass das fortgeschrittene Stadium der Angst, in dem er sich zu befinden schien, ihn auch körperlich zerrüttete. Er lehnte sich an die Wand des Treppenhauses, als könnten diese zusätzlichen zwei Zentimeter Distanz von dem dicken Mann seine Situation verbessern. Den Kopf hatte er seitlich nach unten gebeugt, während er die Hände schützend vor sich hielt.
Der Dicke schrie ihn auf Englisch an. Von dem, was er sagte, konnte Marlon nicht ein einziges Wort verstehen. Das lag zum Teil an dem Fenster und den Umgebungsgeräuschen (obwohl das Feuergefecht vorbei zu sein schien), aber, wie ihm schließlich klar wurde, auch daran, dass der dicke Mann irgendeinen heftigen Akzent hatte.
Und daran, dass er vor Wut völlig außer sich war. Einer Wut, die umso größer zu werden schien, je länger er schrie und gestikulierte.
Der dicke Mann steigerte sich in etwas hinein.
Er steigerte sich in die Bereitschaft hinein, dem jüngeren Mann etwas Schreckliches anzutun.
Dann fiel Marlon die Pistole auf, die der dicke Mann in der Hand hielt.
Als der Dicke fertig war, richtete er seine Waffe direkt auf den jüngeren Mann, der versuchte, sich hinter seinen weißen Handflächen zu verstecken. Drei gewaltige donnernde Geräusche waren zu hören. Der dicke Mann machte eine verächtliche Bemerkung und ging an dem jüngeren Mann vorbei, während dieser zusammenbrach, und die nächste Treppenflucht hinunter.
Kurz darauf schlich der Schwarze hinter ihm her.
Mit gemischten Gefühlen hatte Olivia Halifax-Lin zur Kenntnis genommen, dass Abdallah Jones sich von Mindanao abgesetzt hatte und in Xiamen aufgetaucht war. Olivia hatte nämlich gerade fast ein ganzes Jahr und der MI 6 eine halbe Million Pfund darauf verwandt, ihr eine chinesische Tarnidentität aufzubauen, unter der sie im Reich der Mitte verdeckt arbeiten konnte. Und sie hasste Abdallah Jones wirklich sehr. Aber ihr Job sollte eigentlich nicht darin bestehen, Jagd auf islamische Bombenattentäter zu machen.
Wie auf jedem Familienfoto der Halifax-Lins deutlich wurde, konnte man nie voraussagen, was bei einer Mischehe, wie man sie früher genannt hatte, herauskommen würde. Olivia hatte zwei Geschwister. Ihr älterer Bruder sah für Waliser walisisch aus, war auf einer Portugalreise aber fälschlicherweise schon für einen Portugiesen gehalten worden, und wenn er nach Deutschland fuhr, kamen auf der Straße Türken auf ihn zu und begrüßten ihn auf Türkisch. Ihre jüngere Schwester hatte das klassische Aussehen eines Menschen von gemischtrassiger Abstammung. Olivia dagegen konnte jede Straße in China entlanggehen, ohne über Gebühr aufzufallen. In einer Kleinstadt würde man sie wahrscheinlich als Waidiren abstempeln, in einer Großstadt jedoch niemals als Waiguoren identifizieren.
Ihr Vater war Wirtschaftswissenschaftler, geboren und aufgewachsen in Beijing, mit achtzehn oder neunzehn
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