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»Gespannt«, murmelte er. Mit etwas Gefummel bekam er heraus, wie man die Sicherung bediente. »Und gesichert.« Dann verlagerte er die Waffe, offensichtlich in dem Wunsch, die rechte Hand frei zu haben, wieder in seine linke und steckte sie sich in den Hosenbund. »Kommen Sie«, sagte er, »da draußen erwartet uns irgendein faszinierendes Schicksal. Inschallah .«
Er packte ihre Hand und marschierte in Richtung Ausgang. Sie versuchte, sich loszureißen und neben Csongor fallen zu lassen, aber Mr. Jones ließ einfach ihre Hand los, wodurch die Handschellenkette sich so spannte, dass das Metall Zula in das bereits wunde Handgelenk schnitt, und schleifte sie hinter sich her. Sie stolperte und taumelte in seinem Schlepptau und prallte an eine Wand, wo ein schmieriges Fenster, das deutlich unterhalb des Straßenniveaus eingebaut war, durch mehrere Lagen Gitterstäbe und Drahtgeflecht und dicke Schichten von Regenschwemmgut ein schummriges, neblig-graublaues Licht hereinsickern ließ.
Von diesem Fenster eingerahmt war das Gesicht eines Mannes, eines jungen Chinesen, der ihr direkt in die Augen sah. Kaum eine Armeslänge entfernt. Seit wann beobachtete er die Vorgänge im Keller schon?
Genauso gut hätte er aber ein Nachrichtensprecher auf einem Fernsehbildschirm sein können, denn helfen konnte er ihr jetzt auch nicht. Jones gab ihr noch einmal einen Ruck und zog sie näher an sich, dann packte er von neuem ihre Hand und begann, sie die Treppe hinaufzuzerren.
Während er an dem Kabelbündel entlangkletterte, hatte Sokolow mehr Zeit, als ihm lieb war, um sich über die Sprengstoffe und Zündkapseln in der nur wenige Meter entfernten brennenden Wohnung Gedanken zu machen. Alte Instinkte begannen das Kommando zu übernehmen, und ihm fiel auf, dass sein Mund zu einem Gähnen erstarrt war; das sollte verhindern, dass im Falle einer Explosion seine Trommelfelle platzten. Jedes Mal, wenn er die Hände vorschob, achtete er darauf, dass er die Finger tief in dem Kabelbündel vergrub, damit er nicht von einer Stoßwelle weggerissen wurde. Das Kinn drückte er fest an die Brust, ließ es aber ab und zu nach hinten hängen, um einen umgekehrten Blick auf das Bürogebäude zu werfen. Für eine quälend lange Zeit schien es überhaupt nicht näher zu kommen, sodass er sich zwang, eine Weile gar nicht nachzusehen. Als er das nächste Mal hinschaute, stellte er fest, dass es nur noch höchstens zwei Meter entfernt war. Er streckte sich so weit vorwärts, wie er es wagen konnte, bekam festen Halt in den Innereien des Kabelbündels und löste seine Beine davon. Jetzt hing er keinen Meter mehr von der Stelle entfernt, wo das Kabelbündel in eine Lücke zwischen zwei herabhängenden Abdeckplanen drang.
Die Planen blitzten auf, als machte jemand von der anderen Straßenseite aus ein Foto. Einen Sekundenbruchteil später, Sokolow hatte gerade begonnen, den Mund zu öffnen und noch fester zuzupacken, war die Stoßwelle da. Sie traf ihn wie eine Abrissbirne und schleuderte ihn mit aller Gewalt in die Planen.
Nach dem Feuerstoß, der die Fenster von Xinyou Quality Control Ltd. herausgebrochen und Olivia zu Boden geschickt hatte, war die Schießerei auf der anderen Straßenseite rasch verebbt. Darauf bedacht, unterhalb der Fensterbank zu bleiben, verharrte Olivia noch eine Weile auf allen vieren. Das Büro enthielt acht voneinander getrennte Geräte mit Notausschaltern. Drei davon konnte sie betätigen, bevor sie an eine Stelle kam, wo der Boden mit Glasscherben übersät war: nicht mit solchen von modernem Sekuritglas, das in hübsche Würfel zerfiel, sondern mit gezackten Scherben alter Schule. Auf allen vieren über sie zu krabbeln, schien sich nicht gerade anzubieten. Sie hatte nicht viel Kampftraining genossen, aber immerhin ein bisschen , und in einer der anschaulicheren Lektionen war demonstriert worden, dass die Dinge, hinter denen Zivilisten sich am ehesten versteckten – Autotüren, Ziegelmauern –, nahezu nutzlos waren, wenn es darum ging, Schnellfeuergewehrsalven abzuhalten. Die Mauern dieses Gebäudes bestanden aus Ziegelsteinen. Sich hinter ihnen zu verstecken, hatte also sowieso keinen Sinn. Olivia stand auf und begann, unter Knirschen über das Glas zu den anderen fünf Geräten zu gehen, die noch ausgeschaltet werden mussten. Die Füße aufzusetzen, war tückisch, denn zu ihrem Kostüm der chinesischen Karrierefrau gehörten Highheels, und die Glasscherben rutschten oft übereinander, wenn sie mit ihrem Gewicht
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