Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Error

Error

Titel: Error Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Stephenson
Vom Netzwerk:
den Schlitten nach hinten ziehen, um die erste Patrone aus dem frisch eingeführten Magazin ins Patronenlager zu befördern. Das tat er. Damit war die Pistole durchgeladen und schussbereit.
    »Was hast du vor?«, fragte Marlon mit bewundernswerter Ruhe.
    »Da rübergehen – es sei denn, ihr wollt mich hinfahren – und diesen Typen umbringen, verdammt noch mal«, sagte Csongor. Er packte den Türgriff und zerrte daran. Doch der gab wegen der zuvor entstandenen Schäden nicht so ohne weiteres nach. Bevor Csongor ihn einen Zentimeter bewegen konnte, hatte Yuxia den Motor angelassen, den Rückwärtsgang eingelegt und begonnen, aus der Lücke zurückzustoßen, in der sie sich versteckt hatten.
    »Ich fahr dich hin«, sagte sie, obwohl Csongor argwöhnte, dass sie nur versuchte, die Dinge komplizierter zu machen. Und tatsächlich war das Nächste, was aus ihrem Mund kam: »Warum rufen wir nicht die Polizei?«
    »Mach nur, wenn du willst«, sagte Csongor, »aber dann werde ich lange in einem chinesischen Gefängnis sitzen.«
    »Aber du bist doch ein Guter«, erwiderte Yuxia scharf.
    Marlon schnaubte verächtlich und erklärte Yuxia auf Mandarin, was er (wie Csongor mutmaßte) von der Leistungsfähigkeit des chinesischen Justizwesens in Bezug auf die sorgfältige Unterscheidung zwischen Guten und Bösen, und zwar unter bestmöglichen Umständen, hielt, ganz zu schweigen von dem Fall, wo der Gute ein Ausländer, illegal im Land und mit mordlustigen ausländischen Gangstern im Bunde war und jede Menge Fußspuren im Keller eines in sich zusammengefallenen Terroristennestes und Fingerabdrücke auf einem Geheimversteck für Waffen und Geldbündel hinterlassen hatte. Jedenfalls vermutete Csongor das; gegen Ende seiner Rede begann Marlon allerdings, auch auf sich selbst zu zeigen, was nahelegte, dass es jetzt um seine eigene Schuld ging. Und als wäre das noch nicht genug, richtete er auch ein- oder zweimal den Finger auf Yuxia. Auf der Fahrt über den Autobahnring hatte sie ihnen nämlich erzählt, wie sie einen armen Schlosser mit Handschellen an das Lenkrad gefesselt und dem Streifenpolizisten aus dem Viertel alle möglichen Lügen aufgetischt hatte.
    Was immer Marlon da sagte, es traf derart ins Schwarze, dass Yuxia an den Straßenrand fahren und für einen Moment leise vor sich hin weinen musste. Csongor war dankbar für Marlons Schärfe und gleichzeitig traurig über die Wirkung, die sie auf die arme Yuxia hatte.
    Doch gerade als der Ungar diesen untypischen Moment der Schwäche auf Seiten seiner Fahrerin nutzte, um sich noch einmal an dem Türgriff zu versuchen, wurde er durch heftiges Beschleunigen, als sie den Lieferwagen auf Touren brachte, in seinen Sitz zurückgeworfen.
    Marlon rief ihr etwas zu, dessen Bedeutung Csongor erraten konnte: Was zum Teufel machst du da?
    Bei diesem ganzen heftigen Bremsen und Anfahren sorgte Csongor sich allmählich, die Pistole könnte versehentlich losgehen. Er tastete nach ihrem Sicherungshebel und legte ihn um.
    Marlon wechselte zum Englischen und sah Csongor an. »Ich möchte aussteigen.«
    »Gut«, sagte Csongor. Nachdem er die Makarow in eine aufgesetzte Seitentasche seiner Hose geschoben hatte, machte er noch einmal einen Versuch mit dem Türgriff.
    »Ich dachte, du wolltest dem Mädchen helfen, das dir den Arsch gerettet hat«, sagte Yuxia mit einem boshaften Blick über die Schulter.
    »Mach ich auch«, sagte Marlon. »Vielleicht auf eine Weise, die nicht so scheiße ist.«
    Csongor hatte es geschafft, die Seitentür des Lieferwagens zu öffnen. Marlon kam taumelnd auf die Füße, geduckt, um sich nicht den Kopf an dem schartigen Metall des eingedrückten Dachs zu stoßen. Er zog sein Handy zusammen mit dem Akku aus seiner Hosentasche, steckte den Akku wieder in das Gerät und ließ es in den Tassenhalter neben Yuxia fallen. Mit derselben Bewegung packte er Yuxias Handy nebst Akku, die Csongor dort hingelegt hatte, und stopfte sie sich in die Tasche. Yuxia, die sich ins Unvermeidliche fügte, nahm den Fuß vom Gaspedal. Marlon drehte sich auf einem Bein um, schob sich an Csongor vorbei, griff hinunter in die Tasche und schnappte sich ein kleines Geldbündel. Das klemmte er sich zwischen die Zähne, trat dann rückwärts an die Tür und schlug, während er schon halb hinausfiel, mit der Hand auf den Sitz neben Csongor. Er taumelte und rollte in den Staub am Straßenrand und blieb zurück, als Yuxia wieder Gas gab.
    Csongor bemerkte, dass jetzt eine der beiden Blendgranaten fehlte.

Weitere Kostenlose Bücher