Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Error

Error

Titel: Error Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Stephenson
Vom Netzwerk:
erwartete, oder befürchtete, einen triumphierenden Blick. Hämische Freude. Ich habe Sie in der Hand . Aber das war es nicht. Es war eher – professionelle Höflichkeit.
    »Vielleicht sind Sie einziger Mensch in Xiamen, der noch beschissener dran ist als ich«, sagte er. »Ich heiße Sokolow. Wir sollten reden.«
    Sei’s drum. »Ich heiße Olivia.«
    Seit einer Stunde waren sie mit dem Schiff unterwegs. Die Stadt lag weit hinter ihnen. Sie befanden sich im offenen Meer, durchstreiften ein Gebiet mit weit auseinanderliegenden felsigen Inseln. Jones hatte einen Großteil der Zeit darauf verwendet, auf Arabisch Dinge mit dem Mann zu besprechen, den Zula inzwischen für seinen Stellvertreter hielt: der Killer mit dem Fernglas und dem Handy. An einem bestimmten Punkt hatten beide Männer begonnen, Blicke in Zulas und Yuxias Richtung zu werfen, bis dann der Stellvertreter nach hinten gekommen war, sich vor Yuxia aufgepflanzt, ihren Blick auf sich gezogen und sein Kinn ruckartig nach vorne bewegt hatte, als wollte er sagen: Komm mit. Ein Vorschlag, für den sich Yuxia in keiner Weise empfänglich gezeigt hatte. Darauf hatte sich Jones, nachdem er die Lage taxiert hatte, ebenfalls ans Heck begeben, war zwischen den Stellvertreter und Yuxia getreten, hatte sich hingehockt und ihr im sanftesten Ton, dessen er mächtig war, erklärt, dass er mit Zula ein Gespräch unter vier Augen führen und Yuxia deshalb friedlich an den Bug gehen oder von Bord springen und sterben müsse – was ihm persönlich weitaus lieber sei. »Wenn wir Ihnen etwas Böses zufügen wollten, wäre das längst geschehen.«
    Und so war Yuxia mit dem Stellvertreter nach vorne gegangen und hatte am Bug einen Platz gefunden, wo sie sich aufrecht hinsetzte.
    »Ihre blödsinnigen Nancy-Drew-Faxen will ich nicht noch mal ertragen müssen«, fing Jones an. »Sie treiben den Preis dafür, Sie hier zu haben, sehr in die Höhe, und da Ihr Wert eigentlich gleich null ist – tja, wie es so schön heißt: Rechnen Sie es sich selbst aus.«
    » Eigentlich null«, fragte Zula, »oder null? Weil …«
    »Ach, ich hatte vergessen, dass Sie ein kluges Mädchen sind und dazu neigen, meine Aussagen genau zu analysieren. Also gut. Schauen Sie sich um. Bedenken Sie Ihre Situation. Und dann arbeiten Sie mit mir zusammen. Indem Sie meine Fragen beantworten. Später wird man Yuxia dieselben Fragen stellen. Es wäre das Beste für alle Beteiligten, wenn die Antworten übereinstimmten.«
    Dann eine Weile nichts. Er hätte auch den ganzen Tag gewartet.
    Zula zuckte mit den Achseln. »Fragen Sie.«
    »Beschreiben Sie den Anführer des russischen Militärtrupps.«
    Sie fing an, Sokolows Äußeres zu beschreiben. Bald nickte Jones, erst zögernd, dann mit mehr Nachdruck, um ihr zu verstehen zu geben, dass sie schon still sein konnte.
    »Haben Sie ihn gesehen?«, fragte Zula, aber es war eine dumme Frage; natürlich hatte er.
    Jones wandte den Blick ab und ignorierte die Frage.
    Ihre nächste Frage hätte gelautet: Lebt er noch? , aber die verkniff sie sich.
    Jones fuhr mit einer Menge anderer Fragen über Sokolow fort. Es wäre eine Verschwendung seiner Energie gewesen, sich so sehr für einen Toten zu interessieren. Damit hatte sie die Antwort.
    Das war es, erkannte sie, worüber Jones und sein Stellvertreter gesprochen hatten. Jones hatte die Ereignisse dieses Vormittags so wiedergegeben, wie er sie gesehen hatte, und an einem Punkt hatte sich eine Lücke aufgetan: Sie hatten Sokolow nicht sterben sehen, hatten seine Leiche nicht wahrgenommen.
    Die Vorstellung, dass Sokolow immer noch am Leben war, versetzte sie in eine völlig irrationale freudige Erregung und einen Zustand verquerer Hoffnung. Er war von allen Menschen, die sie in den letzten paar Tagen gesehen hatte, der einzige, der der Situation gewachsen zu sein schien. War es töricht zu glauben, er würde ihr vielleicht helfen wollen? Aber selbst wenn er wollte, nützte ihr das nichts, solange er nicht wusste, dass sie am Leben war und wo sie sich aufhielt. Er musste jetzt auf der Flucht sein, in noch größeren Schwierigkeiten als sie.
    Sie waren an zwei kleineren Inseln vorbeigefahren und schienen jetzt Kurs auf eine andere, etwas größere zu nehmen, die allerdings auch nicht viel mehr als drei Kilometer in der Länge maß.
    Sie musste anfangen, wie Onkel Richard zu denken. Nicht Onkel Richard beim Familientreffen, sondern Onkel Richard, wenn er Geschäfte machte. In diesem Modus hatte sie ihn nur zweimal beobachtet – zu

Weitere Kostenlose Bücher