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Gefühlsdarstellung zu bringen, in der sie schließlich all den Kummer und die Wut losließ, die sich im Laufe der letzten paar Tage in ihrem emotionalen Puffer angesammelt hatten, und sich gestattete, die Beherrschung zu verlieren und zu dem heulenden, jammernden, verkorksten, durchgedrehten Nervenbündel zu verkommen, das diese Typen anscheinend sehen wollten.
Sie begriff jetzt, was Jones ihr zu sagen versucht hatte. Diese Männer mussten wissen, dass sie gebrochen war. Weil sie ihr nur dann vertrauen konnten.
Was die Frage aufwarf: ihr vertrauen, um was zu tun? Denn wenn sie sie nur töten wollten, dann …
Was konnte Zula wohl für diese Männer tun, was diese ganzen Umstände wert wäre?
»Bitte, bitte, bitte«, hörte sie sich heulen, »bitte, bitte, bitte, lassen Sie sie gehen!«
Khalid nahm den Fuß von ihrer Hand und gab dem Eimer einen Tritt. Er drehte sich unter Yuxias Kopf heraus und leerte seinen Inhalt aufs Deck, sodass Zula nass wurde. Yuxias Kopf hing immer noch, soeben außerhalb von Zulas Reichweite, nach unten. Sie hustete Wasser aus ihrer Lunge, rang einmal nach Luft und erbrach sich. Als sie damit fertig war, drehten die Männer sie wieder um und setzten sie zurück auf den Stuhl. Das Erste, was Yuxia gesehen haben musste, war Zula, die zu ihren Füßen ausgestreckt auf dem Deck lag, während Blut aus ihrem zerschundenen kleinen Finger lief. Zula konnte Yuxia gar nicht richtig sehen, bis Jones sie wieder auf die Füße gezerrt hatte. Sie wäre so gerne zu Yuxia hingegangen, hätte sie in den Arm genommen und ihr gesagt, wie schrecklich leid es ihr tat, dass all das passiert war, nur weil Yuxia ein paar Tage zuvor beschlossen hatte, sich mit einer Gruppe von Leuten aus dem Westen anzufreunden, die verloren durch die Straßen von Xiamen wanderten. »Keine gute Tat bleibt ungestraft«, war eins von Onkel Richards Lieblingssprichwörtern. Doch Jones packte von hinten Zulas Oberarme und zog sie rückwärts zu der Leiter. »Zeit zu gehen«, sagte er. »Je eher wir unterwegs sind, desto eher ist sie frei.« Er drehte sie zu der Leiter um und schubste sie so fest dagegen, dass sie beide Hände hochnehmen musste, um zu verhindern, dass sie mit den Zähnen zuerst an eine Sprosse schlug.
Sie blickte ihn über die Schulter an, verständnislos, wie es schien, denn plötzlich sah er angewidert aus. »Der ganze Sinn dessen, was Sie gerade gesehen haben«, sagte er, »bestand darin, Ihnen klarzumachen, dass Ihre Freundin hier als Geisel festgehalten wird und dass sie, falls Sie sich nicht bei allem, was als Nächstes passiert, jederzeit vorbildlich verhalten, einfach mit etwas Schwerem um den Hals über Bord geworfen und dann das Schicksal erleiden wird, das gerade angedeutet wurde.«
Zula sah an Jones vorbei zu Qian Yuxia, die, immer noch schnell atmend, den Blick auf nichts Bestimmtes gerichtet, auf ihrem Stuhl saß. Wie konnte jemand, den man gerade gefoltert und fast ertränkt hatte, so ruhig und unerschüttert sein wie sie? Vielleicht war Yuxia auch nur wie gelähmt oder hirngeschädigt oder unterdrückte ein tiefes emotionales Trauma, das später auf dramatische und unvorhersehbare Weise hervorbrechen würde.
Aber so sah sie nicht aus. Sie sah aus, als rechnete sie sich gerade aus, wie sie sich am besten an diesen Scheißkerlen rächen könnte.
»Freundin, ich werde alles tun, was ich kann, damit sie dir nicht noch mal wehtun«, sagte Zula.
»Ich weiß«, murmelte Yuxia.
Dann schob Jones Zula die Leiter hoch, und sie fing an, auf das Licht der Sterne zuzuklettern.
Ein kleineres Schiff, ähnlich dem, das sie von Xiamen hierhergebracht hatte, nur ohne Taxikrater im Frachtdeck, war zu ihnen gestoßen und hatte längsseits festgemacht. Zula wurde zu verstehen gegeben, dass sie auf dieses Schiff hinunterklettern sollte. Das tat sie und fand einen Platz, wo sie sitzen konnte, ohne im Weg zu sein.
Mindestens eine halbe Stunde verging mit Diskussionen und Vorbereitungen. Sie hatte den Eindruck, dass eine Menge Gerätschaften aus den verschiedenen Kabinen, Laderäumen und Kisten des größeren Schiffes zusammengesucht, durchgesehen, sortiert, überprüft und neu gepackt wurden. Und da sie mit Waffen im Haus aufgewachsen war, erkannte sie an den Geräuschen, am Gewicht der Packen und allein schon an der Haltung der Männer, die sie trugen, dass einiges an Waffen dabei sein musste. Sie war höchst interessiert an dem, was die Männer zueinander sagten, und so nah dran, dem Arabisch folgen zu können,
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