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das Summen hören, aber mit dem Gebrumm der Maschinen, dem Schlagen und Rauschen der Wellen am Schiffsrumpf, dem Klirren und Zischen des Kochgeschirrs und den statischen Geräuschen und Gesprächsfetzen aus dem Funkgerät war sie davor sicher. Zula war woandershin gebracht worden, anscheinend in eine separate Kabine, und Yuxia hatte überlegt: Wenn es gerade umgekehrt und sie allein in einer Kabine gewesen wäre, was hätte sie dann mit dem Handy gemacht? Wobei die wesentlichen Optionen lauteten: mit Marlon kommunizieren oder die Polizei anrufen und ihr alles erzählen.
Als die Männer reingekommen waren, um sie zu fesseln, und einer von ihnen sich vor ihr hingekniet hatte, hatte sie die Luft angehalten, weil sie dachte, er wüsste von dem Handy in ihrem Stiefel und würde jeden Moment hineingreifen und es zutage fördern. Um es zu verbergen, hatte sie die Knöchel überkreuz gelegt. Auf den Inhalt ihrer Stiefel hatte der Mann jedoch gar nicht geachtet. Stattdessen hatte er hinter ihren Knöcheln ein Seil durchgezogen und dessen Enden vorne oberhalb des Handys verknotet, sodass es darunter feststeckte. So sicher, dass es sich nicht einmal lockerte, als sie auf den Kopf gedreht wurde.
Nach dem schrecklichen Ding mit dem Eimer zerrten sie sie wieder hinauf in die Kombüse. Eins der Besatzungsmitglieder – der, der hauptsächlich fürs Kochen zuständig war – stellte eine Tasse Tee vor sie hin. Ihr war übel, sie zitterte und hustete, und ihre Brust fühlte sich rau an, aber sonst war sie eigentlich unversehrt, und so nahm sie die Tasse, drückte mit beiden unkontrolliert zitternden Händen fest dagegen und trank einen Schluck. Es war sogar recht guter Tee. Nicht so gut wie Gaoshan Cha , aber mit einigen seiner medizinischen Wirkstoffe, die auch ein Arzt jemandem verordnet hätte, der kürzlich mit dem Kopf nach unten Meerwasser eingeatmet hatte.
Bis jetzt war der Hauptantrieb hinter ihren Aktionen die Sorge um Zula gewesen. Und sie machte sich immer noch große Sorgen um sie. Doch dieses Gefühl war inzwischen von etwas verdrängt worden, was noch viel intensiver und unmittelbarer war, nämlich dem Wunsch, jeden Mann auf diesem Schiff tot zu sehen. Nicht so sehr ein Wunsch, wie eine absolut unabdingbare Forderung.
Ihre Hände zitterten nicht vor Angst. Das war Wut.
Ein paar Minuten später brachten sie sie in eine Kabine, dieselbe, vermutete Yuxia, in der sie zuvor auch Zula festgehalten hatten. Was die Frage aufwarf: Was hatten sie mit Zula gemacht?
Sie mussten sie aus irgendeinem Grund mit nach Xiamen genommen haben. Die Sache mit dem Eimer hatte einzig und allein den Sinn gehabt, Zula dazu zu zwingen, irgendetwas für sie zu erledigen.
Das beschäftigte sie so sehr, dass sie lange Zeit das Brummen des Handys an ihrem Knöchel nicht wahrnahm. Und es brummte nicht nur einmal, um eine SMS zu melden, sondern in stetigem Rhythmus immer wieder.
In Panik riss sie es heraus, besorgt, der Anruf könnte auf die Mailbox gehen, bevor sie annehmen konnte. Die Nummer auf dem Display war ihre; das war Marlon, der sie von ihrem eigenen Handy aus anrief.
» Wei? «, flüsterte sie.
Im Hintergrund konnte sie ein rhythmisches Quietschen hören.
»Was ist das für ein Geräusch?«, fragte sie.
»Csongor beim Rudern«, sagte Marlon.
Während der langen Fahrt zur Herzlosen Insel hatten Marlon und Csongor durch unmittelbare Beobachtung gelernt, was jeder Fährmann aus Erfahrung und jeder Ingenieur von der Wellentheorie her wusste: dass längere Schiffe grundsätzlich schneller fuhren als kürzere. Sie hatten dem größeren Schiff etwas Vorsprung gegeben, da sie ihm nicht so offensichtlich folgen wollten. Nicht lange nach Antritt der Fahrt hatten sie bemerkt, dass ihre Jagdbeute sich von ihnen entfernte, obwohl ihr Außenbordmotor auf Hochtouren lief und es sich anfühlte, als würde der zerbrechlich aussehende hölzerne Bootsrumpf jeden Moment von den Wellen zerschmettert. Das Schiff, das sie verfolgten, schien nicht mit Vollgas zu fahren und ließ sie doch nach und nach weit hinter sich.
Während sie unterwegs im Slalom ein paar kleinere Inseln umfahren hatten, war es ihnen gelungen, ein bisschen Terrain gutzumachen, indem sie geradewegs durch gezeitenabhängige seichte Stellen abkürzten, um die das große Boot einen weiten Bogen machen musste. Doch bis die überfüllte Insel, die ihr Ziel zu sein schien, in Sicht gekommen war, war das Schiff der Terroristen ein verschwindend kleiner Punkt geworden, und Csongor hatte
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