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erster Versuch ging daneben, und der Stuhl krachte gegen die Stahltür, die so hart war, dass er selbst auseinanderzufallen begann und Bruchstücke von trockenem, zerbrochenem Holz von der Tür abprallten, die Yuxia ins Gesicht flogen. Sie wischte sich Holzspäne aus den Haaren, verlegte sich dann auf einen Doppelhandgriff am breitesten, noch intakten Teil des Stuhls und machte sich erneut ans Werk, wobei sie endlich auch die Scheibe des Bullauges selbst traf. Dem Glas war nichts passiert. Sie schlug fester zu. Immer noch nichts. Irgendwie machte sie das noch wütender als Iwanows Täuschung, mit Handschellen an das Lenkrad gefesselt zu werden, Jones’ Verschleppung von Zula oder kopfüber in Salzwasser getaucht zu werden.
Sie schrie nur nicht genug. Jetzt fing sie an, bei jedem Schlag ein tiefes Stöhnen aus ihrem Bauch kommen zu lassen. Wie diese amerikanische Tennisspielerin, die kräftige Schwarze, die immer, wenn sie den Ball schlug, einen Schrei losließ. In jedem Fall gehörte Schreien zum Krachschlagen dazu, oder? Sie holte aus wie ein Baseballspieler und schlug mit etwas um sich, was rapide auf einen einzigen kurzen Holzknüppel reduziert wurde, schrie aus Leibeskräften und verpasste um Haaresbreite mit einem brutalen Schlag das Bullauge. Das machte sie noch wütender, sodass sie tief Luft holte, erneut einen Schrei ausstieß und wieder danebenschlug. Nun begann sie, ihr Geschrei mit Flüchen zu durchsetzen, die sie von den Frauen in ihrem Dorf immer gehört hatte, wenn diese sehr wütend auf die Männer in ihrem Leben gewesen waren, und da gelang ihr endlich ein so fester Schlag gegen das Bullaugenglas, dass es zersprang. Die Männer der Schiffsbesatzung hatten das Bullauge mit Papier zugedeckt, und irgendjemand auf der anderen Seite riss es jetzt herunter und blickte gerade im richtigen Moment durch die zerbrochene Scheibe, um einen Stuhlbeinangriff direkt auf sein Gesicht zukommen zu sehen. Er duckte sich, als Glassplitter aus der immer größer werdenden Bruchstelle herausflogen, und als sein Kopf wieder hochwippte, schrie er sie ebenfalls an.
Noch ein paar Schläge und ein keilförmiges Stück Bullaugenglas war ausgeschlagen, und zu dem einen Mann hatten sich noch drei hinzugesellt. Vier Männer! Auf dem ganzen Schiff waren nur sechs Mann. Yuxia packte das Stuhlbein wie eine Mörserkeule und begann, das, was von dem Glas noch übrig war, gleichsam wie in einem Mörser mit kurzen, harten Stößen zu zerstampfen. Das war vor allem eine gute Möglichkeit, Atem zu schöpfen. Das Atmen hatte sie nämlich ganz vergessen. Sie sah, wie der Türgriff sich bewegte, und wusste, dass sie kamen; sie trat von der Tür zurück, sog so viel Luft ein, wie sie konnte, und empfing den Mann, der als Erster den Raum betrat, mit einer wüsten Schimpfkanonade, die, hätte er den Dialekt verstanden, den sie benutzte, seine Genitalien zu so etwas wie Rosinen hätte zusammenschnurren lassen. Weitere Männer folgten dem Ersten durch die enge Luke und verteilten sich zu beiden Seiten, mit dem Rücken dicht an der Wand, um nicht in die Reichweite des dreschenden Stuhlbeins zu geraten. Aus ihren Gesichtern sprach pure Angst. Yuxia hatte sich in eine Wahnsinnige verwandelt, eine Hexe. Denn nur eine Wahnsinnige oder eine Hexe würde sich so aufführen, obwohl sie sich ganz in der Gewalt einer Gruppe von Männern befand, die sie, wenn ihnen danach war, jederzeit vergewaltigen oder töten konnten.
Ein Mann trat mit einer solchen Wucht in die Kabine, dass er die anderen Männer praktisch umwarf. Es war der Kapitän des Schiffes. Er hasste sie. Er ging sofort auf sie los. Instinktiv schwang sie das Stuhlbein nach ihm, aber er musste irgendeine Kampfkunst erlernt haben, denn er hielt es im Schwung fest, wand es ihr aus der Hand und schleuderte es voller Verachtung zur Tür hinaus ins Meer.
Yuxia griff in ihren Stiefel, zog das Handy heraus und hielt es hoch, damit alle es sehen konnten. »Ich habe bereits die Polizei gerufen!«, gab sie bekannt. »Ihr seid alle tote Männer.«
Das war vielleicht das Einzige, was den Kapitän zum Innehalten hatte bewegen können. Drei Sekunden lang stand er vollkommen reglos da.
Ein kleiner zylindrischer Gegenstand hüpfte über die Schwelle der Kabine herein und landete mitten auf dem Fußboden. Es war nicht das erste Mal, dass Yuxia so etwas sah. Früher an diesem Tag hatten Marlon und Csongor zwei davon unter Iwanows persönlichen Sachen entdeckt und kurz darüber diskutiert, wobei sie eine
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