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doppelt so viel wog wie er, wusste aber, dass das nicht sein konnte. Der Ungar hatte einiges an Gewicht um die Bauchgegend, aber nichts, was man hätte als Speck bezeichnen können; sein Kopf war groß und breit, jedoch ohne jedes Doppelkinn. Die Kraft, mit der er sich in die Riemen legte, gab Marlon das nervöse Gefühl, ihm würde das Boot unter dem Hintern weggerissen, und das schon bei normalem Rudern. Während der letzten ein oder zwei Minuten vor ihrem Zusammenstoß mit dem Fischerboot hatte Csongor sich endlich klargemacht, dass er um sein Leben und womöglich auch um Zulas ruderte und hatte sich mit so viel Kraft in die Riemen gelegt, dass Marlon sich instinktiv in das Boot gekauert und eine stabilisierende Hand links und rechts aufs Dollbord gelegt hatte.
Da Csongor natürlich nicht sehen konnte, wohin er fuhr, begann Marlon, der seinen Englischkenntnissen nicht traute, während der letzten Sekunden hierhin und dorthin zu zeigen, um ihm begreiflich zu machen, wohin er fahren sollte. Er hatte jedoch die Bugwelle des Schiffs nicht berücksichtigt, die bewirkte, dass ihr eigener Bug sich ganz am Ende steil aufrichtete; dann schlug einer der seitlich am Schiff vertäuten Reifen mit voller Wucht gegen das Boot und kippte es im nächsten Moment um. Marlon, der das hatte kommen sehen, sprang, genau als das kleine Boot sich unter ihm wegdrehte, senkrecht von seiner Bank hoch und bekam mit einer Hand den Rand eines Reifens zu fassen. Die andere Hand folgte zum Glück kurz darauf, denn sonst hätte er den Halt verloren. Das Schiff bewegte sich schneller, als er angenommen hatte, und riss ihn regelrecht vorwärts. Das beanspruchte für einen Moment seine ganze Aufmerksamkeit, doch dann blickte er sich an der Schiffsflanke entlang um und sah, wie das gekenterte Boot rasch nach achtern zurückfiel, und von Csongor keine Spur.
Dann durchbrach eine Hand das Wasser, tastete nach oben und begrapschte nutzlos den umgedrehten Bootsrumpf. Eine zweite Hand kam dazu. Das Boot bewegte sich kurz ruckartig abwärts, als würde es von unten von einem Hai gepackt. Csongor suchte nach einer Möglichkeit, sein Gewicht darauf zu verlagern, doch das Boot befand sich jetzt schon fast am Ende des Schiffes. Schließlich erhob sich Csongors Oberkörper ein Stück aus dem Wasser, eine Hand schoss nach oben und erwischte den Rand des hintersten Reifens. Im selben Moment verschwand Csongor, wie Marlon ein paar Augenblicke zuvor auch, in einer selbst verursachten Bugwelle: Er wurde vom Schlepptau seines Arms durchs Wasser gezogen, und sein Kopf war der Wellenbrecher. Doch mit etwas Strampeln und Ringen schaffte er es, den zweiten Arm aus dem Wasser zu strecken und eins der Seile zu packen, an denen der Reifen aufgehängt war, um dann mit einem Klimmzug den Kopf zum Atmen aus dem Wasser zu bekommen.
Marlon wandte den Blick ab und kümmerte sich einstweilen wieder um seine eigenen Probleme. Sein Oberkörper war über Wasser, aber seine Beine wurden hinterher geschleift, wodurch ein kräftiger Sog entstand, der ihn von dem Reifen wegzureißen drohte. Nachdem er sich wie ein Bergsteiger Zentimeter um Zentimeter einen etwas besseren Halt verschafft hatte, konnte er ein Bein herausziehen und über den benachbarten Reifen legen, was beides zusammen den Sog verminderte und ihn in eine Position brachte, aus der heraus er nach oben klettern und sich bessere Haltegriffe suchen konnte. So arbeitete er sich bis zu einer Stelle hoch, wo er mit einem Fuß auf dem Reifenrand stand und beide Hände über den Kopf streckte, um nach dem Dollbord des Schiffs zu greifen.
Er wagte einen Blick zurück und sah, dass Csongor ähnliche Erfolge erzielt hatte. Das kleine Ruderboot war nirgends zu sehen. Csongor hielt sich mit einer Hand fest, während er mit der anderen Hand an sich hinuntertastete, um sich zu vergewissern, dass die Pistole immer noch da war, wo er sie hingesteckt hatte, während Iwanows Tasche nach wie vor quer über seiner Schulter hing.
Dann fing er an zu klettern, und Marlon folgte seinem Beispiel. Nach kurzer Zeit war er imstande, mit einem Satz über das Dollbord zu springen und in der Hocke auf dem Hauptdeck zu landen. Es war niemand zu sehen. Nach dem Lärm auf der anderen Seite zu urteilen, machte Yuxia ihre Sache mit dem Krachschlagen nach wie vor ganz prächtig.
Csongor, der am Heck kauerte, warf einen Blick zur gegenüberliegenden Seite, drehte sich dann zu Marlon um und gab ihm mit einem Achselzucken zu verstehen, dass er nichts sah. Er
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