Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Error

Error

Titel: Error Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Stephenson
Vom Netzwerk:
zu reden und ihn durch eine Kombination aus Bestechung und Drohungen dazu zu bringen, zu sagen, was er wusste.
    (»Was weiß der Bootsführer?«, hatte Sokolow im Taxi gefragt.
    »Nur, dass er zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort jemanden abholen muss«, hatte die Antwort vom Vordersitz gelautet. »Sie müssen ihm sagen, wohin Sie fahren.«)
    Jedenfalls könnte sich herausstellen, dass das Boot, das an dem Treffpunkt wartete, der auf dem GPS -Gerät von Chow markiert war, lauter Männer an Bord hatte, die heute Morgen eigens vom Festland gekommen waren, um Sokolow zu finden und ihn entweder zu töten oder zum Verhör mit in die Volksrepublik China zu nehmen und Gott weiß welcher anderen Behandlung zu unterziehen.
    Wenn das eintrat und wenn es sich zu einer Schießerei entwickelte (was es, falls Sokolows Meinung gefragt war, höchstwahrscheinlich tun würde), wie würde das für Olivia und George Chow aussehen – oder klingen, denn sehen konnten sie es ja nicht? Eine Reihe von Gewehrschüssen, weitgehend gedämpft durch die Gischt, die sich ihren Weg durch die Tausende von Steinfingern suchte, die aus dem Sand herausragten. Selbst wenn Olivia den törichten Versuch wagen würde, hinauszuwaten und nachzuforschen, würde sie nichts finden; bis dahin wäre das Boot weg. Es könnten höchstens ein oder zwei Leichen im Wasser schwimmen, aber es war höchst unwahrscheinlich, dass sie auf einen solchen direkten Beweis stoßen würde. Wahrscheinlicher war, dass der Ausgang ihr ebenso wie George Chow ein Rätsel bleiben würde und dass sie, kopfscheu geworden, auf dem schnellsten Weg zum Flughafen fahren und verschwinden würden.
    Im Taxi hatte Sokolow George Chow gefragt, was passieren würde, wenn er am Ende der Reise in Long Beach ankäme. Chow hatte ihm versichert, dort würden befreundete Agenten der amerikanischen Regierung an Bord des Containerschiffs kommen und ihn schnellstens an einen sicheren Ort bringen, wo man all die Informationen über Abdallah Jones, die er zu bieten hatte, von ihm erfragen und ihn anschließend bei den Einwanderungsformalitäten unterstützen würde.
    Sokolow hatte jedoch nicht das geringste Interesse daran, auf eine solche Weise begrüßt, befragt und unterstützt zu werden. Er war bereits im Besitz eines B-1-Visums, das ihn berechtigte, jederzeit in die Vereinigten Staaten einzureisen. Sollte er sich nun von einem Containerschiff aus in die USA einschleichen, was, verglichen mit dem, was er in den vergangenen vierundzwanzig Stunden gemacht hatte, ein Kinderspiel sein dürfte, war das Schlimmste, was man ihm vorwerfen könnte, dass er beim Betreten des Landes seinen Pass nicht hatte abstempeln lassen: theoretisch ein Problem, aber so banal und so abwegig, dass es zu diesem Zeitpunkt kaum der Rede wert zu sein schien. Er hatte Olivia bereits alle brauchbaren Informationen über den Verbleib von Abdallah Jones gegeben, sodass jede weitere Befragung in L. A. unweigerlich auf Themen hinauslaufen würde, deren nähere Betrachtung ihm das Leben nur schwerer machen könnte, wie zum Beispiel Iwanow und Wallace und die Vorfälle gestern Morgen in dem Wohnblock. Wenn die amerikanischen Behörden aber glaubten, er sei an der nebelverhangenen Küste von Kinmen in einem Hinterhalt getötet worden, würden ihm viele solcher Unannehmlichkeiten erspart bleiben.
    Dann war da noch die Sache mit Olivia.
    Sokolow mochte Olivia und wollte, dass sie glücklich war. An ihrem Gesicht hatte er ablesen können, dass sie nicht bereit war, sich ehrlich mit dem Wesen der Beziehung auseinanderzusetzen, die sie mit Sokolow genossen hatte und die ganz offensichtlich (für Sokolow jedenfalls) auf schlichter, animalischer Anziehung beruht hatte. Manchmal traf man jemanden und hatte instinktiv Lust, bis zur Bewusstlosigkeit mit ihm zu vögeln. Das musste mit Pheromonen oder so was zu tun haben. In den meisten Fällen wurde das Gefühl nicht erwidert, aber wenn doch, dann passierten solche Dinge mit einer Plötzlichkeit und Intensität, dass sie für einen Menschen, der glaubte, sein Leben habe einen Sinn , unweigerlich beunruhigend waren. Dabei steckte gar nicht mehr dahinter. Sie hatten im Bunker ihren Spaß gehabt, und hätten noch ein bisschen mehr haben können, wenn die Umstände sie an einem sicheren Ort zusammengebracht hätten. Solche Beziehungen hatten jedoch kaum Zukunft. Olivia, eine hochkultivierte und rationale Frau, wollte nicht zugeben, dass sie zu den Menschen gehörte, die eine solche Beziehung

Weitere Kostenlose Bücher