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Titel: Error Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Stephenson
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eingehen konnten, und zermarterte sich sogar jetzt noch ihren klugen Kopf auf der Suche nach einer Geschichte, derzufolge es wirklich noch viel, viel mehr war. Wenn sie zufällig Tür an Tür gewohnt oder im selben Büro gearbeitet hätten, hätte sie sich nach einem langen, dramatischen und schließlich schmerzhaften Prozess mit der Tatsache abfinden müssen, dass es alles rein animalische Anziehung war und es in Wirklichkeit keine Basis für eine Beziehung gab.
    Zum Glück war die vorliegende Situation etwas einfacher. Selbst wenn das Zusammentreffen mit dem Boot und dem Containerschiff reibungslos verlief, würden die beiden sich wahrscheinlich nie wiedersehen. Wenn Sokolow aber in einem Hinterhalt an der nebelverhangenen Küste von Kinmen getötet wurde, könnte sie das Buch dieser höchst befriedigenden, im Grunde aber bedeutungslosen Affäre schließen und weiter das glückliche und zufriedene Leben führen, das Sokolow ihr von Herzen wünschte.
    Und so dachte sich Sokolow, während er dem Motorengeräusch des Bootes immer näher kam, einen Plan aus, der zu dem Zeitpunkt unkompliziert genug zu sein schien, um ihm und Olivia ihr künftiges Leben zu erleichtern, indem er ein paar Schüsse aus seiner Waffe abgab. Das würde den Bootsführer zu Tode erschrecken, aber Sokolow glaubte, dieses Problem ohne große Mühe in den Griff bekommen zu können. Wenn sie erst einmal das Treffen mit dem Containerschiff bewerkstelligt hatten, würde Sokolow einen Weg finden, dessen Kapitän zu der Aussage zu bewegen, das Treffen habe nicht stattgefunden – das Boot mit Sokolow sei nicht aufgetaucht und er sei nie an Bord des Schiffs gekommen. In zwei Wochen würde Sokolow in Long Beach heimlich das Schiff verlassen und seine Kontakte in dieser Stadt dazu nutzen, eine Zeitlang von der Bildfläche zu verschwinden. Dann würde er nach Toronto zurückfliegen, von wo er auch gestartet war. Eine genauere Untersuchung seines Passes könnte ein paar Ungereimtheiten ergeben, aber er hatte noch nie jemanden wirklich auf solche Dinge achten sehen.
    Während er sich dem Ort näherte, an dem das Boot auf ihn wartete, zog er erst die Makarow hervor und dann die Maschinenpistole, die er letzte Nacht dem Dschihadisten abgenommen hatte, und prüfte, ob sie beide in schussbereitem Zustand waren, was vermutlich so oder so kein schlechter Gedanke war. Er schätzte, dass es, wenn er schon versuchte, die Geräusche eines Kampfes zu imitieren, überzeugender wäre, wenn er ein paar Pistolenschüsse und ein oder zwei Salven aus der Maschinenpistole abgeben könnte. Natürlich würde er damit warten, bis er sicher in dem Boot saß, damit dessen Fahrer nicht entsetzt vor ihm davonfuhr. Da er aus demselben Grund nicht mit einer Waffe in jeder Hand aus dem Nebel auftauchen wollte, steckte er die Makarow in ihr Durchdrückholster und schlang sich die Maschinenpistole über den Rücken.
    Das Wasser war inzwischen auf Brusthöhe angelangt, tief genug für ein Boot von einiger Größe. Sokolow verschwand so weit darin, dass nur noch der obere Teil seines Kopfes herausragte, was gar nicht so leicht zu bewerkstelligen war, da die Wellen immer wieder über ihm zusammenbrachen. Auf dem letzten Stück bewegte er sich vorsichtig von einem mit Schalentieren verkrusteten Pfosten zum nächsten. In wenigen Metern Entfernung konnte er das Boot an einem der Pfosten schaben hören.
    Endlich wurde es sichtbar: ein langer, auf dem Wasser liegender Schatten. Als Sokolow näher kam, löste der Schatten sich in eine Reihe dicker schwarzer Os auf: die Reifen, die seitlich an dem Boot hingen und als Einziges verhinderten, dass es von den Steinpfosten zerrieben wurde. Er konnte den Bootsführer aufrecht am Heck sitzen sehen, wartend, sich fragend, wann der mysteriöse Passagier auftauchen würde. Nahe dem Bug war an Backbord eine weiße Strickleiter ausgeworfen worden; das war die der Küste am nächsten liegende Ecke, und der Bootsführer musste angenommen haben, Sokolow würde aus dieser Richtung kommen und sich über die Hilfe freuen.
    Diese Reifen sahen jedoch so aus, als böten sie hinreichend Halt für Hände und Füße, um über sie an Bord zu klettern, und Sokolow konnte keinen Vorteil darin sehen, aus der erwarteten Richtung einzusteigen. Also verbrachte er noch ein paar weitere Augenblicke damit, sich, halb watend, halb schwimmend, um das Boot herum zu dessen Heck zu begeben und sich dem Punkt zu nähern, wo er eine gute Sicht auf den Reifen und die Seilschlingen hatte,

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