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der Hoffnung, sich ein Trinkgeld verdienen zu können oder einfach so zu bekommen. Marlon, Yuxia und Csongor flankten über den Dollbord in warmes, knietiefes Wasser, platschten an Land und durchliefen dann eine endlose Zeremonie aus Lächeln, Händeschütteln, Nicken und Auf-Wiedersehen-Sagen, die fast die ganze noch verbleibende Zeit bis zum Anlegen der Fähre in Anspruch nahm. Schließlich eisten sie sich los, gingen, gefolgt von einer faszinierten Schar unentwegt hallo rufender Jugendlicher den Strand hinauf und kletterten über eine niedrige Ufermauer aus zerbrochenen Betonbrocken auf den asphaltierten Bereich vor dem Terminal. Die Temperatur war um zehn Grad gestiegen, und plötzlich schwitzten sie alle. Zum ersten Mal seit Wochen drangen ihnen wieder die Gerüche überfüllter menschlicher Wohnstätten – Kohle und Diesel, unzureichend entsorgtes Abwasser, Zigarettenrauch, Knoblauch – in die Nase. Marlon warf die Frage auf, ob sie nicht gleich an Bord der Fähre gehen und nach Manila fahren sollten, eine Stadt, wo er wahrscheinlich Verbindung mit seinen Cousins aufnehmen konnte. Doch ein Blick auf den Fahrplan verriet ihnen, dass die Fähre erst in ein paar Stunden ablegen würde, und auf der Herfahrt hatten sie alle, entlang dem südlich von hier gelegenen Strand, die Reihe von Gebäuden gesehen, bei denen es sich allem Anschein nach um Hotels handelte. Da sie keinen richtigen Plan hatten und auch nicht sonderlich in Eile waren, kamen sie überein, mit dem Bus in die Stadt zu fahren, sich Hotelzimmer zu besorgen, die hier zweifellos billiger waren als in der Metropole, und festzustellen, ob es in diesem Strandort Internetcafés gab, wo sie (wenn man Marlon Glauben schenken konnte) genug Gold einheimsen könnten, um Suiten im Manila Hotel bezahlen und sich Erste-Klasse-Tickets an jeden Bestimmungsort kaufen zu können, der ihnen beliebte. Also mischten sie sich unter die Menge, die von der Fähre strömte – insgesamt vielleicht ein paar hundert Leute – und versuchten auseinanderzuklamüsern, in welchen Bus sie steigen mussten.
Unter diesen Passagieren war ein sehr viel höherer Prozentsatz von Weißen, als man in einer etwas entlegenen Provinzstadt erwarten würde, und man konnte davon ausgehen, dass sie zu den Hotels am Strand unterwegs waren. Die meisten verhielten sich so, als wären sie schon mal hier gewesen und wüssten, wohin sie gehen mussten. Sie steuerten, kaum überraschend, die größeren Busse an, die mit leerlaufendem Motor vor dem Terminal standen. Die kleineren Fahrzeuge – bunte, weitgehend selbstgebaute Hybriden aus Kleinbus und Bus – zogen eine ausschließlich philippinische Kundschaft an. Zufällig hörte Csongor einen weißen Mann, der sich quer durch einen Strom von Passagieren auf einen Bus zudrängte, Englisch reden, also schloss er zu ihm auf und fragte ihn, ob dieser Bus zum Hoteldistrikt fahre. Der Mann drehte sich zu ihm um, musterte ihn eingehend von Kopf bis Fuß und informierte ihn dann nicht allzu freundlich, dass dem so sei. Csongor nickte Marlon zu, der die Menge größtenteils um mehr als Haupteslänge überragte, Marlon gab die Information an Yuxia weiter, die darin unterging, und sie folgten Csongor die Treppe hinauf in den Bus.
Es roch darin nach Parfüm, Diesel und Zigaretten. Mindestens die Hälfte der Fahrgäste waren Weiße. Doch nun wurde deutlich, dass diese Bevölkerung demographisch völlig aus dem Gleichgewicht war: Hundert Prozent der Weißen waren männlich, und die meisten waren über fünfzig. Sie waren fast durchweg so gekleidet, als glaubten sie, auf eine Art Safari zu gehen, und sie trugen gern Sonnenbrillen, obwohl sie hinter getönten Scheiben in einem Bus saßen. Ihr Englisch hatte einen Akzent, den Csongor anfangs nicht einordnen konnte. Zunächst vermutete er, dass es sich um Briten handelte, aber das stimmte nicht ganz. »Die Typen sind aus Oz«, sagte Yuxia, nachdem sie, Csongor und Marlon sich gemeinsam auf die hinterste Sitzreihe gequetscht hatten. Als das keinen Eindruck machte, erklärte sie: »Australien. Vielleicht auch Neuseeland.« Offensichtlich wusste sie das aufgrund ihrer Erfahrungen im Umgang mit Rucksacktouristen in ihrem früheren Leben. Also schaute Csongor den Mittelgang entlang auf die Australier oder vielleicht auch Neuseeländer und versuchte dahinterzukommen, womit er es hier zu tun hatte. Vielleicht eine Art Fachtagung – ein Haufen pensionierter Klempner oder Cowboys, die für eine Woche sehr preiswertes Vergnügen
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