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auf dem Boden oder auf dem Sofa schlafen würde. Also bezogen sie nur ein Zimmer. Das wiederum senkte den Preis so weit, dass sie mit amerikanischen Dollars aus Zulas Brieftasche bezahlen konnten und es so vermieden, Csongors Kreditkarte zu benutzen. Csongor hatte keine Ahnung, ob irgendwelche Behörden – chinesische, ungarische oder sonstige – seine Kreditkartennummer überwachten, aber es schien trotzdem das Klügste, sie nicht zu benutzen, wenn es nicht nötig war.
Das Zimmer lag im vierten Stock und war klein und dunkel, mit einem fleckigen Flauschteppich, der nach Tabak, Alkohol und Sex roch. Yuxia stürmte geradewegs zum Fenster und öffnete es so weit es ging – etwa fünfundzwanzig Zentimeter –, um etwas Meeresluft hereinzulassen.
Weil es schien, als würde die Dusche eine Zeitlang belegt sein, ging Csongor wieder auf die Straße hinunter und zu einer Wechselstube, die er vorhin bemerkt hatte und in der er sämtliche Euros aus seiner Brieftasche und die kanadischen Dollars von Peter in die lokale Währung umtauschte. Er war leicht gekränkt, aber kaum überrascht darüber, dass man dort keine ungarischen Forint akzeptierte. Er schaute außerdem bei vier verschiedenen Internetcafés vorbei und fand sie gut besucht von männlichen Weißen, die sich dort im Allgemeinen schmutzige Bilder ansahen. Sie unterschieden sich in Größe, Qualität der Ausstattung, Geschäftszeiten und allgemeinem Grad von Freundlichkeit. Nur eines davon, Net XC itement!, behauptete, rund um die Uhr geöffnet zu haben, was, wie Csongor fand, vielleicht nützlich sein könnte, da der Abend voranschritt und sie wahrscheinlich noch einige Stunden lang damit beschäftigt sein würden, sich zu säubern, etwas zu essen und sich neu einzukleiden.
An einem Straßenstand kaufte er chinesisches Essen, und bemühte sich, während er es nach oben zum Zimmer trug, dem fast übermächtigen Drang zu widerstehen, die nach Knoblauch duftenden Behälter aufzureißen und das Gesicht hineinzutauchen. Ein handgeschriebenes DO NOT DISTURB !-Schild war in die Ritze zwischen Türstock und Tür geklemmt. Csongor öffnete die Tür, brachte das Essen ins Zimmer, ging dann zurück und klemmte das Schild sorgfältig wieder fest. »Warum brauchen wir das?«, fragte er Yuxia, die auf einem der Betten saß, ein Handtuch knapp unter den Achselhöhlen um den Körper geschlungen. Marlon war noch immer im Bad beschäftigt.
»Andauernd«, verkündete sie, »kommen Huren vorbei und wollen wissen, ob wir irgendetwas wünschen.« Sie versah die beiden letzten Worte mit Luft-Anführungszeichen.
Csongor hatte das Gefühl, er müsste sich im Namen jedes männlichen Weißen, der jemals gelebt hatte, demütigst entschuldigen, wusste aber nicht recht, wo er anfangen sollte. Er hatte noch immer nicht vollständig begriffen, was es mit diesem Ort auf sich hatte und was hier vorging – vor allem, was die mittelalten Ladys anging, die ungefähr dieselbe Rolle ausfüllten wie Zuhälter, aber nicht wie Professionelle wirkten. Sie kamen einem fast wie Anstandsdamen, allerdings überaus ineffektive, vor.
»Tut mir leid, dass das der erste Ort außerhalb von China ist, den du zu Gesicht bekommst«, sagte Csongor. »Es ist nicht überall so. Eines Tages werde ich mit dir nach Budapest fahren und dir alles zeigen. Dort ist es ganz, ganz anders.«
»Als Erstes müssen wir mal von hier weg«, gab Yuxia zu bedenken.
»Ich habe ein bisschen hiesiges Geld«, sagte Csongor. »Genug, um das da zu kaufen.« Er zeigte mit dem Kinn auf das Essen, dessen Aroma Marlon mittlerweile mit um die Taille geschlungenem Handtuch aus dem Bad gelockt hatte. »Wir können uns alle ein paar billige Klamotten besorgen und vielleicht noch eine Nacht hier bezahlen.«
»Willst du dich denn nicht mit deiner Mutter in Verbindung setzen?«, fragte Yuxia leicht entgeistert. »Kann sie dir denn kein Geld schicken?«
Csongor dachte darüber nach. Eigentlich würde man meinen, dass er, Yuxia und Marlon inzwischen alles voneinander wussten, was es zu wissen gab, aber die Härten der Fahrt hatten ihnen wenig Zeit gelassen, miteinander bekannt zu werden; Yuxia wusste, dass Csongors Vater nicht mehr lebte, doch sonst wusste sie kaum etwas von seiner Familie. »Meine Mutter ist eine nette kleine Lady mit hohem Blutdruck, die ständig kleine Schlaganfälle hat. Ich werde ihr eine Nachricht schicken, dass ich geschäftlich außer Landes bin, aber was passiert ist, kann ich ihr unmöglich sagen – das wäre genauso,
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