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Error

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Titel: Error Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Stephenson
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anging. Vielleicht lag dem ein darwinscher Selektionsmechanismus zugrunde. Alle Dschihadisten, die es versäumt hatten, Funkstille zu halten, waren bei Drohnenangriffen verdampft worden. Von dem Zeitpunkt an, zu dem Jones mit seinen drei Kameraden das Camp verließ, fand keinerlei Walkie-Talkie- oder Handygeplauder statt, bis zweieinhalb Stunden später Ershut und Jahandar, sichtlich außer Atem, aber zufrieden, den Hügel heraufgestapft kamen. In der Zwischenzeit beschäftigten sich die anderen Mitglieder der Gruppe – alle außer Zakir und Sayed – mit Frühstücken, Beten und Packen. Letzteres schien sehr viel emotionale Energie zu verbrauchen. Es sah aus wie die typische Familienurlaubsaufbruchshektik, die Zula von der entwickelten Welt kannte, vermischt mit einer kräftigen Dosis »Verzweifelter Flüchtlingstreck auf dem Weg in den Sudan«. Das Einzige, was fehlte, waren kläffende Hunde und weinende Kinder. Es half den Männern nicht gerade, dass jeder von ihnen gezwungen war, massenhaft Waffen zu tragen. Während Zula am Fuß ihres Baums das Geschirr abwusch und den Küchenbereich aufräumte, konnte sie die Diskussionen und die rücksichtslose Setzung von Prioritäten, die sich daraus ergaben, von zentraler Warte aus verfolgen. Es schien auf Folgendes hinauszulaufen: Was würde, Pfund für Pfund betrachtet, die größtmögliche Anzahl von Menschen töten? Am Ende bekamen Plastiksprengstofftafeln hohe Priorität. Auch Schusswaffen standen hoch im Kurs. Munition etwas weniger; anscheinend rechneten sie damit, in den Staaten größere Mengen davon kaufen zu können. Was, wie Zula zugeben musste, ein sehr vernünftiger Plan war. Sofern ihre Waffen nicht sehr ausgefallene Patronen verschossen, müssten die Männer alles, was sie brauchten, in Sportkaufhäusern bekommen. Da Patronen Blei enthielten, wogen sie einiges; und Gewicht schien die Männer sehr zu beschäftigen, während sie ihre Rucksäcke vom Boden lüpften, in die Ferne starrten und sich fragten, wie es wohl sein würde, das Ding mehrere Tage lang bergauf und bergab zu schleppen.
    Zula machte sich – ein weiteres Beispiel für die sonderbare und zutiefst widerwärtige emotionale Beteiligung, die sie in letzter Zeit empfand – sogar Sorgen, dass sie nicht rechtzeitig fertig wurden. Sie glaubte nicht, dass sie schon unter dem Stockholm-Syndrom litt, aber sie begriff allmählich, wie Menschen so wurden.
    Jedenfalls stellten Ershut und Jahandar bei ihrer Rückkehr ins Camp fest, dass ihre Kameraden erst zu fünfundsiebzig Prozent mit Packen fertig waren, und die Heftigkeit ihres Zorns reichte aus, die restlichen fünfundzwanzig Prozent rasch zustande kommen zu lassen. Trotzdem verstrich wohl eine Viertelstunde, bis die anderen fertig waren. In dieser Zeitspanne wurde Zula – ihr fiel kein besseres Wort ein – zur Schau gestellt. Ershut war der Schlüsselverwahrer. Er öffnete das Schloss, das die Kette um den Baum festhielt, und benutzte diese dann wie eine sehr lange und schwere Hundeleine, um Zula am Streunen zu hindern, während er sie ein kurzes Stück bergab führte. Unterhalb ihres Lagerplatzes, aber oberhalb des obersten Teils der Plankenlawine ragte ein Granitblock, etwa so groß wie ein zweistöckiges Haus, aus dem Hang. Von hier aus konnte man einen Großteil des Tals überschauen und war umgekehrt von dort aus gut zu sehen. Man sah einen Großteil des Blue Fork, der einige Kilometer weiter südlich oder links in geröll- und schneebedeckten Bergen seinen Anfang nahm und dann am Fuß der Felsen der Bayonet Ridge, direkt vor einem, bis zum Zusammenfluss mit dem White Fork beim Schloss, ein Stück weiter rechts, verlief. Der Hang war dicht bewaldet, doch aus entsprechendem Blickwinkel konnte man deutlich die Straße und den Wendeplatz an ihrem Ende sehen.
    Mitten auf dem Wendeplatz standen drei Männer. Gesichter konnte Zula auf diese Entfernung nicht richtig sehen, aber sie erkannte die drei an ihrer jeweiligen Gestalt als Jones, Abdul-Ghaffar und Onkel Richard. Und sie wusste, dass sie sie sehen konnten.
    Ein kindischer Schauer schoss ihr durch den Arm und befahl ihr, ihn zu heben und ihrem Onkel zuzuwinken. Sie bezähmte diesen Impuls und verlor die Männer durch einen Tränenschleier aus dem Blick. Vor Scham wandte sie ihrem Onkel den Rücken zu und begann, ohne den Zug der Kette zu beachten, zum Lagerplatz zurückzutrotten. Ershut ließ sie gehen, schloss sie wieder an den Baum an und ließ sie zusammengekrümmt und schluchzend dort

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