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Arbeits-E-Mails vorgestellt hatte, verwandelte sich in einen Pfuhl der Verzweiflung. Als sie das nächste Mal auf die Uhr sah, waren anderthalb Stunden verstrichen, und ein Ende war nicht abzusehen; E-Mails, die sie zu Beginn geschrieben hatte, hatten ganze Ketten von Antworten hervorgebracht, in die sie nun gründlich verheddert war, und die Leute drohten, Telefonkonferenzen abzuhalten. Ihr überstürzter Weggang aus dem FBI -Büro in Seattle hatte ihre Kollegen dort verschiedentlich verwirrt und verärgert, und sie mussten auf den neuesten Stand gebracht oder beschwichtigt werden. Zugleich wurden ebendiese Leute über die verschlüsselten Videobilder aus den Überwachungskameras in Peters Wohnung in Kenntnis gesetzt, und so musste sie mitansehen, wie sich diese Information durch ihre Netze von E-Mail-Listen verbreitete und die Leute zu diskutieren begannen, was sie als Nächstes tun sollten. Es war Samstagvormittag, und FBI -Agenten gingen E-Mails durch, während sie bei den Fußballspielen ihrer Kinder zuschauten. »Out of office«-Antworten schossen durch das System wie Flipperkugeln. Der Kanal, über den diese Bilder sie erreicht hatten, war äußerst verwirrend (der Entschlüsselungscode aus der Brieftasche eines Toten gezogen von einem Ungarn auf den Philippinen, der mit einem Amerikaner in Kanada kommunizierte, wobei das Gespräch auf einem imaginären Planeten stattfand), und Olivia musste sich einschalten und alles erklären.
Und das war nur der Teil, der mit dem FBI in Seattle zu tun hatte. Sie hatte den Fehler begangen, die Idee mit den Überwachungskameras in Prince George einigen ihrer Kollegen in London gegenüber zu erwähnen, und das hatte Unmengen sinnloser Debatten und kontraproduktiver Bemühungen, ihr zu helfen, gezeitigt.
Das Einzige, was verhinderte, dass sie den ganzen Tag in E-Mails ertrank, war ein Anruf von Inspektor Fournier, der plötzlich gastfreundlich geworden war und Kaffee mit ihr trinken wollte. Sie war damit einverstanden, sich in einer halben Stunde im Foyer ihres Hotels mit ihm zu treffen, dann packte sie ihre Sachen – keine große Arbeit, da sie gar nicht erst ausgepackt hatte und die Hälfte ihres Krams sich ohnehin noch unten in dem Mietwagen befand – und benutzte, so etwas wie ein nachträglicher Einfall, Google Maps, um die Strecke nach Prince George zu ermitteln.
Die Ergebnisse führten dazu, dass sie zweimal hinsehen musste. Es waren siebenhundertfünfzig Kilometer, sie würde, Ess- und Pinkelpausen nicht mitgerechnet, elf Stunden brauchen. Die Zahlen waren so gewaltig, dass sie einen Anfall von Desorientiertheit erlitt und glaubte, Google müsse ihr aus Versehen eine lächerlich umständliche Strecke vorgeschlagen haben. Aber nein, die Karte zeigte einen ziemlich geraden Verlauf. Es war tatsächlich so weit: die Entsprechung einer Fahrt von London nach John o’ Groats. Sie würde den ganzen Tag im Auto unterwegs sein und erst nach Einbruch der Dunkelheit ankommen. Morgen war Sonntag.
Sie überprüfte den Flugplan, in der Hoffnung, dass es einen stündlichen Shuttle gab. Das Ergebnis: Es gab im Laufe des Tages ein paar Flüge, darunter auch einen, den sie vielleicht noch schaffte, wenn sie ihr Frühstück mit Inspektor Fournier sausen ließ und dann zum Flughafen raste. Politisch gesehen war das nicht der geschickteste Schachzug, und so buchte sie stattdessen einen Platz für einen Flug am späten Vormittag.
Dann hinunter ins Foyer, auf einen Kaffee und einen Keks mit Fournier. Aus irgendeinem Grund hatte sie mit einer mittelalten, zerknitterten Quebecer Version von Columbo gerechnet, aber Fournier war gepflegt, wahrscheinlich Anfang dreißig, und trug eine schicke Brille, die ihn noch jünger wirken ließ. Was sie fälschlich für Feindseligkeit gehalten hatte, war, wie sie vermutete, eine kontinentaleuropäische Förmlichkeit gewesen, die sich deutlich von der amerikanischen Studentenverbindungsatmosphäre abhob, in die sie in den vergangenen Tagen eingebettet gewesen war. Sie hatte sofort den Verdacht – den Fournier kurz darauf bestätigte –, dass er einige Jahre in Frankreich gelebt hatte, und dort hatte er sich auch sein professionelles Verhalten und seinen Brillengeschmack angeeignet. Olivias Status als MI 6-Agentin, die auf ausländischem Boden operierte, hatte wahrscheinlich nicht dazu beigetragen, ihn lockerer zu machen. Aber persönlich hätte er nicht charmanter und aufmerksamer sein können.
Unter den gegebenen Umständen konnte Olivia ihm ihren
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