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bestand darin, dass er sie weiterscheuchte und dabei auf Mandarin leise auf sie einredete, als spielte er die Rolle eines nervösen, reizbaren Freundes.
Die Botschaft war riesig, eine eigene Stadt in der Stadt, und angesichts der Vielzahl islamistischer Terrorzellen auf den Philippinen konnte man dort nicht einfach so hineinspazieren. Seamus kam so häufig hierher, dass einige der für die Bewachung zuständigen Marineinfanteristen ihn kannten. Aber seine drei Begleiter würden sich wie alle anderen ausweisen und Metalldetektoren passieren müssen. Seamus schaffte es, sich mit den dreien in ein Torhaus zu quetschen, wo sie in klimatisierter Bequemlichkeit stehen und warten konnten, bis der Offizier vom Dienst kam, was ganze dreißig Sekunden dauerte. Dann war Seamus in der Lage, die Unüblichkeit seiner Besucher und seines Vorhabens darzulegen. Csongor wurde rasch aber höflich entwaffnet, und alle wurden mit Metalldetektoren abgesucht und gefilzt. Dann durfte Seamus seine Gäste auf das Botschaftsgelände führen, das sich über viele Morgen neugewonnenes Land entlang der Küste von Manila erstreckte. Amerikaner wie Japaner hatten die Philippinen zu verschiedenen Zeiten beherrscht und von diesem Grundstück aus größere Kriege geführt. In der Mitte gab es eine alte Kanzlei, auf beiden Seiten von neueren Gebäuden eingeklemmt, die die Tausenden von amerikanischen und philippinischen Botschaftsangestellten beherbergten. Sehr viel Raum war allem, was mit Visa zu tun hatte, vorbehalten. Seamus hoffte, Marlon und Yuxia noch heute Zugang zu einigen der zuständigen Leute verschaffen zu können.
Zunächst allerdings musste er sie für einen Besuch der Vereinigten Staaten interessieren. Seamus war zwar so sehr unverhohlener Chauvinist, dass er davon ausging, dass jeder Nichtamerikaner, der bei Verstand war, den Wunsch verspürte, nach Amerika zu kommen. Aber er hatte nicht die Hälfte seines Erwachsenenlebens in fremden Teilen der Welt verbracht, ohne sich ein paar diplomatische Fähigkeiten anzueignen. Er spazierte in den Schatten eines großen Baumes vor der Kanzlei und scharte die anderen in einem kleinen Kreis um sich.
»Ich gehe nach Amerika«, sagte er, »sobald ich einen Flug dorthin kriege. Ich gehe dorthin, weil ich glaube, dass unser Freund Abdallah Jones dort ist und möglicherweise Zula als Geisel bei sich hat. Csongor kommt mit; er kann eine Einreiseerlaubnis in die Vereinigten Staaten bekommen, indem er ein Onlineformular ausfüllt, für ihn ist es also einfach. Ihr beide, Marlon und Yuxia, könnt tun, was immer ihr wollt. Aber ich finde, ich sollte euch darauf aufmerksam machen, dass ihr euch illegal in diesem Land aufhaltet. Chinesische Staatsbürger brauchen für die Einreise in die Philippinen ein Visum, und ich vermute mal, ihr habt euch keins besorgt, bevor ihr den Terroristen das Fischerboot geklaut und den Skipper abgeknallt habt. Ich empfehle euch nicht, einfach nach China zurückzukehren. Ihr müsst in ein Land, das nicht China ist und in dem ihr bestimmte Formalitäten durchlauft, damit ihr nicht umgehend verhaftet und nach China abgeschoben werden könnt – genau das würde passieren, wenn ihr da rausgehen« – er machte mit dem Arm einen vagen Schlenker in Richtung Roxas Boulevard – »und auffallen würdet.« Letzteres war auf Yuxia gemünzt, die in der vergangenen halben Stunde alles nur Denkbare getan hatte, um aufzufallen. Sie verstand, was er meinte, und setzte ein leicht schmollendes Gesicht auf, das ganz untypisch für sie war und Seamus beinahe umbrachte.
Marlon und Yuxia betrachteten Seamus inzwischen aufmerksam. Sie mochten die Vorstellung einer Reise in die Vereinigten Staaten an sich schon reizvoll finden oder nicht. Aber ihre Aufmerksamkeit geweckt hatte er mit der Erwähnung von Jones und Zula, und dann hatte er ihnen durch Verdeutlichung ihres Dilemmas im Hinblick auf die Formalitäten eine Heidenangst eingejagt.
»Ich glaube, ich könnte da etwas arrangieren.«
Gebanntes Schweigen.
»Ich gehe davon aus, dass keiner von euch einen chinesischen Pass hat.«
Marlon schüttelte den Kopf.
»Wir kriegen nur einen, wenn wir außerhalb von China reisen wollen«, sagte Yuxia, »und das habe ich nie getan.«
»Eigentlich schon«, gab Seamus zu bedenken und breitete die Arme aus, um sie darauf aufmerksam zu machen, dass sie in Manila war. Sie lächelte. »Jedenfalls, dass ihr keinen Pass habt, wird ganz schön Sand ins Getriebe des Visumverfahrens für die Einreise in die
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