Error
Vancouver. Nach allem, was ich im Internet über ihn erfahren habe, ist er Wirtschaftsprüfer. In Schottland ausgebildet. Mitte der Achtziger nach Kanada eingewandert.«
»Hast du so was wie einen Auftrag von ihm gehabt? Irgendein Sicherheitsproblem?«
Peter schwieg eine Weile.
»Hör mal«, sagte Zula, »ich möchte nur wissen, was sich in diesem Auto befindet und dich immer nervöser gemacht hat, je näher wir der Grenze kamen.«
»Geld«, sagte er. »Bargeld in Höhe von über zehntausend Dollar. Ich hätte es eigentlich deklarieren müssen. Hab’s nicht getan.« Er lehnte sich zurück, seufzte. »Aber jetzt sind wir in Sicherheit. Wir sind über der Grenze. Wir …«
»Wer ist in diesem Fall ›wir‹? Bin ich eine Art Komplizin?«
»Juristisch gesehen nicht, du hast ja nichts gewusst. Aber …«
»War ich etwa in Gefahr? Was hat das zu bedeuten, dieses ›Wir sind in Sicherheit‹?« Zula wurde nicht oft wütend, aber wenn, dann baute sich das langsam und unerbittlich auf.
»Wallace ist einfach ein bisschen seltsam«, sagte er. »Manches von dem, was er gesagt hat – Ich weiß auch nicht. Schau mal. Ich hab gemerkt, dass ich einen Fehler mache, noch während ich dabei war. Jede Minute war mir zuwider. Dann war es vorbei, und ich hatte das Geld, und wir waren unterwegs in Richtung Grenze, und da hab ich angefangen, über die Folgen nachzudenken.«
»Das heißt, du wolltest einen Grenzübergang finden, an dem viel los war«, sagte sie.
»Ja. Dort würden sie unter stärkerem Zeitdruck stehen und das Auto eher nicht durchsuchen.«
»Als du in Abbotsford die Wartezeiten nachgeschaut hast …«
»… hab ich nach den Übergängen mit dem meisten Betrieb gesucht.«
»Unglaublich.«
Sie fuhr eine Weile, während sie gründlich über den Tag nachdachte. »Warum habt ihr es im Schloss gemacht?«
»Das war Wallaces Idee. Wir haben versucht, unsere Reisepläne zu koordinieren. Ich hab erwähnt, dass ich dort sein würde. Da ist er drauf angesprungen. Schien ihm nichts auszumachen, im Winter von Vancouver da rauszufahren. Jetzt wird mir klar, dass er mit dem Bargeld nicht über die Grenze gehen wollte. Das kleine Problem wollte er mir aufhalsen.«
»Welcher Wirtschaftsprüfer bezahlt denn seine Sicherheitsberatungsdienste in bar?«
Peter sagte nichts.
Zula ging es im Geist durch. Hundertdollarscheine. Einhundert davon würden zehntausend Dollar ausmachen. Wie dick wäre ein solches Bündel ungefähr? Nicht besonders dick. Nicht so schwer in einem Auto zu verstecken.
Er hatte mehr als das bei sich. Viel mehr. Sie hatte merkwürdiges Verhalten in Zusammenhang mit seinem Gepäck gesehen. Eine Umräumaktion in Abbotsford.
»Warte mal eine Sekunde«, sagte Zula. »Du stellst zweihundert Dollar die Stunde in Rechnung. Um auf zehntausend Dollar zu kommen, müsstest du fünfzig Stunden arbeiten. Dabei sagt mir mein Gefühl, dass du noch viel mehr als zehntausend bei dir hast. Was viel mehr als fünfzig Stunden Arbeit bedeutet. So viel hast du in letzter Zeit aber gar nicht gearbeitet. Du hast dein Haus renoviert. Eine ganze Woche lang Gipskartonplatten angebracht. Wann hättest du so viele Stunden zusammenbringen sollen?«
Und so kam die Geschichte dann heraus.
Zulas Vorhersage erwies sich als richtig. Es lieferte ihnen Gesprächsstoff für die ganze restliche Fahrt bis nach Seattle.
Peter hatte ebenfalls recht gehabt; es war ein beziehungsbeendendes Ereignis. Nicht so sehr, was er in der Vergangenheit getan hatte – obwohl das ziemlich dumm gewesen war –, sondern das, was er heute getan hatte: das lächerliche Drama um den Grenzübertritt.
Der wahre Todeskuss kam allerdings, als er Onkel Richard ins Feld führte.
Es passierte, als sie in der Gegend um Everett waren, kurz bevor sie den nördlichen Stadtrand von Seattle erreichten. Er spürte, dass ihm noch zwanzig, vielleicht fünfundzwanzig Kilometer blieben, um seine Sache zu vertreten. Was er versuchte, indem er die ganzen seltsamen Dinge erwähnte, die Richard Forthrast in der Vergangenheit getan hatte oder Gerüchten zufolge getan haben sollte. Zula scheine doch ganz gut mit Onkel Richard auszukommen, was – so ging seine Argumentation weiter – sei denn nun ihr Problem mit ihm, Peter?
An der Stelle schnitt sie ihm mitten im Satz das Wort ab und sagte, es sei vorbei. Sie sagte es mit einer solchen Gewissheit und Überzeugung in Stimme und Mimik, dass es ihn ebenso faszinierte wie einschüchterte. Männern, zumindest in seinem Alter, fehlte
Weitere Kostenlose Bücher