Ersehnt
ablesen, worum es ging.
»Bin immer noch dran«, versicherte Woods Jace, aber das war auch alles, was er sagte. Sonst nichts.
Kurz darauf beendete er die Verbindung. Saß dann da und starrte auf das Handy in seiner Hand. Mit ausdrucksloser Miene. Irgendetwas stimmte nicht. Er benahm sich so komisch.
»Was hat er gewollt?«, fragte ich.
Woods schüttelte den Kopf. »Nichts. Er hat nichts gewollt. Er musste mir nur sagen, dass mein Vater vor einer halben Stunde tot umgefallen ist. Herzinfarkt.«
Textauszug aus:
Abbi Glines
Rush of Love – Verführt
München: Piper Verlag, 2013
W o ich herkam, standen alte Trucks mit großen erdverkrusteten Rädern vor den Häusern, in denen eine Party stieg. Keine ausländischen Luxusschlitten – und in dieser langen Einfahrt hier gab es mindestens zwanzig davon. Damit ich niemandem im Weg war, steuerte ich den fünfzehn Jahre alten Ford-Pick-up meiner Mom etwas abseits auf eine sandige Grasfläche. Dass an diesem Abend eine Party bei ihm stattfand, hatte Dad mir gar nicht erzählt. Aber er erzählte auch sonst nicht viel.
Ich wusste nicht einmal, warum er nicht zu Moms Beerdigung gekommen war. Ich wusste nur, dass ich nicht im Traum daran gedacht hätte, hierher nach Florida zu fahren, wenn ich irgendwo anders untergekommen wäre. Doch das kleine Haus meiner Großmutter hatte ich verkaufen müssen, um die letzten Arztrechnungen meiner Mom zu bezahlen. Außer meinen Klamotten und dem Pick-up war mir nichts geblieben. Nachdem sich mein Vater während der ganzen drei Jahre, die meine Mutter gegen den Krebs gekämpft hatte, nicht ein einziges Mal hatte blicken lassen, hatte mich der Anruf bei ihm einiges an Überwindung gekostet. Aber er war nun mal alles an Familie, was ich noch hatte.
Ich starrte auf die riesige dreistöckige Villa, die direkt am weißen Sandstrand von Rosemary Beach stand. Das neue Zuhause meines Vaters. Seiner neuen Familie. Ich gehörte nicht hierher.
Plötzlich wurde die Tür meines Wagens aufgerissen. Automatisch schoss meine Hand unter den Sitz und griff nach meiner Neun-Millimeter-Pistole. Ich riss sie hoch und richtete sie mit beiden Händen auf den Eindringling.
»Oha!« Ein Typ mit zerzaustem braunem Haar stand mit weit aufgerissenen Augen am anderen Ende des Laufs meiner Waffe und hielt die Hände hoch. »Eigentlich wollte ich dich nur fragen, ob du dich verfahren hast, aber von mir aus sage ich dir alles, was du hören willst, solange du nur das verdammte Ding da wieder runternimmst!«
Ich hob eine Augenbraue, hielt die Waffe aber weiterhin auf ihn gerichtet. Ich wusste immer noch nicht, wer er war. Dass einem ein Fremder nachts einfach die Wagentür aufriss, war nicht normal. »Nein, ich habe mich nicht verfahren. Gehört das Haus da Abraham Wynn?«
Der Typ schluckte nervös. »Äh, mit so einem Ding im Gesicht kann ich nicht klar denken. Könntest du die bitte wegstecken, bevor sie noch aus Versehen losgeht?«
Aus Versehen? Echt jetzt? Langsam reichte es mir.
»Es ist dunkel. Ich bin allein. Ich kenne dich nicht. Und ich kenne die Gegend nicht. Also verzeih mir bitte, wenn ich mich gerade nicht so ganz sicher fühle. Und aus Versehen geht hier gar nichts los, glaub mir. Ich kann mit einer Waffe umgehen. Gut sogar.«
Daran schien der Typ seine Zweifel zu haben, und bei genauerer Betrachtung wirkte er eigentlich ziemlich harmlos. Trotzdem war ich nicht bereit, meine Waffe runterzunehmen.
»Abraham?«, wiederholte er langsam. Er wollte schon den Kopf schütteln, stutzte dann aber. »Warte mal, Abe ist Rushs Stiefvater. Aber der ist mit Georgianna in Paris!«
Paris? Rush? Bitte wie? Ich hoffte, er würde weiterreden, doch der Kerl starrte nur mit angehaltenem Atem auf die Mündung meiner Waffe. Während ich sie langsam senkte, sicherte und wieder unter dem Sitz verstaute, ließ ich ihn nicht aus den Augen. Vielleicht wurde er nun etwas gesprächiger.
»Hast du überhaupt eine Lizenz für das Ding?«, fragte er ungläubig.
Ich war jetzt wirklich nicht in der Stimmung, mich darüber zu unterhalten, ob ich im Besitz einer Waffe sein durfte oder nicht. Ich wollte Antworten.
»Abraham ist in Paris?« Ich brauchte Klarheit. Mein Vater wusste genau, dass ich heute ankommen würde. Wir hatten ja erst vor einer Woche telefoniert, kurz nachdem ich das Haus verkauft hatte.
Der Typ nickte. Er entspannte sich sichtlich. »Du kennst Abe?«
Nicht wirklich. Seitdem er meine Mom und mich vor fünf Jahren verlassen hatte, hatte ich ihn nur noch zwei
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