Ersehnt
Wirklichkeit. Ich hatte gelebt … Doch dann kamen wir nach Hause. Braden kam sonst nie mit mir ins Haus. Sie wartete immer draußen, bis ich wohlbehalten drinnen war. In dieser Nacht war das ganze Haus hell erleuchtet. Vom Vorgarten aus konnten wir das Licht in meinem Zimmer sehen. Für uns war das das erste Zeichen, dass etwas nicht stimmte. Normalerweise stand meine Mutter immer im dunklen Haus und wartete mit dem Gürtel auf mich.« Ich fing an zu zittern und das Atmen fiel mir schwer. Aber ich ließ nicht zu, dass meine Ängste die Oberhand gewannen. Ich würde ihnen ein Schnippchen schlagen. Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen und sah zu Woods auf.
»Als ich die Tür aufschloss, blieb Braden bei mir. Sie folgte mir durch die Tür und blieb dann stehen. Wir wussten es beide. Die Stille war so vielsagend. Ich kam nicht weit. Das Haus war klein, und ich ging vom Wohnzimmer in den Flur. Das Blut … ihr Blut.« Ich holte tief Luft. »Es sickerte unter der Badezimmertür hindurch in den Teppich. Ich sah es und wusste Bescheid. Es waren nur ein paar Schritte, aber es kam mir wie eine Ewigkeit vor, ehe ich bei der Badezimmertür ankam. Sie ruhte dort so still auf dem Fliesenboden. Beide Handgelenke waren aufgeschlitzt, und in der Blutlache um sie herum lag eine Rasierklinge. In diesem Augenblick drehte ich durch. Ich fing an zu schreien und ergriff ihre Hand. Versuchte, sie zurückzuholen. Aber die Wahrheit war nun mal, dass sie zu meinem Bruder gehen wollte … und es geschafft hatte.«
Woods presste mich ganz fest an sich. »Oh, Süße. Das tut mir so leid. Alles. Es tut mir so verdammt leid.«
Ich war noch nicht fertig. Schön wär’s gewesen! Bis hierhin hatte ich es schon geschafft und musste nun auch weitermachen. »Braden hörte meine Schreie und kam zu mir. Ich sah zu ihr auf und sagte ihr, meine Mutter gebe es nicht mehr. Und dann muss ich in Ohnmacht gefallen sein. Ich kann mich nicht erinnern, dass sie den Notarzt gerufen hat. Ich war in einer Welt verloren, in der meine Mutter noch lebte und ich sie nicht erreichen konnte. Als ich schließlich wieder zu mir kam, war Braden an meiner Seite und säuberte mich. Wischte das Blut von meinen Händen. Danach zog sie mir saubere Klamotten an und stand dann da und hielt mir die Hand, während ich die Fragen der Polizei beantworten musste. Es waren so viele Fragen! Aber Braden wich die ganze Zeit über nicht von meiner Seite. Als es vorbei war, zog ich zu ihr und ihren Eltern nach nebenan und wohnte dort ein paar Jahre. Braden wollte das unbedingt. Ihren Eltern merkte man an, dass ihnen nicht ganz wohl bei dem Gedanken war. Die ganzen Jahre über hatte Braden ihnen nichts von mir erzählt, und sie fürchteten sich vor mir. Was ich ihnen nicht verübeln konnte. Sie wurden nie warm mit mir. Das sehe ich heute noch in ihren Augen. Sie warten darauf, dass ich überschnappe. Manchmal kann ich das verstehen, denn das tue ich ja auch. Ich warte …«
» Sag das nicht! Hörst du? Wag nicht, das auszusprechen. Du schnappst nicht über. Du bist die stärkste Person, der ich je begegnet bin. Ich bin voller Ehrfurcht darüber, dass du trotz allem, was du durchmachen musstest, immer noch einen Raum zum Leuchten bringen kannst, wenn du ihn betrittst. Wenn ich dich ansehe, sehe ich Leben. Freude. Ich sehe meine Zukunft.«
Ich war seine Zukunft. Er war meine. Wenn ich mich auf ein Leben mit Woods freuen konnte, dann konnte ich gegen jede Dunkelheit ankämpfen, die mich zu verschlingen versuchte. Vor Woods hatte ich nicht gewusst, wofür ich lebte. Auf der Suche nach mir selbst hatte ich so viel mehr gefunden. Nun wusste ich, dass ich leben wollte. Ich verstand die Liebe. Ich hatte sie gefunden.
B radens Angebot, dass wir noch bei ihnen bleiben könnten, schlug Woods aus. Zu meiner Überraschung erhob meine Freundin gar keine Einwände dagegen. Woods bat mich, meine Koffer zu holen. Da ich noch nicht bereit war, Braden wieder ganz zu verlassen, fuhren wir nicht weit. Woods entdeckte in Atlanta ein Fünf-Sterne-Hotel und checkte uns dort ein. Sobald die Tür unseres Zimmers hinter ihm ins Schloss fiel, ließ er meine Koffer auf den Boden fallen, kam zu mir und hob mich in seine Arme. Dann trug er mich zu dem breiten Doppelbett in der Mitte des Raumes.
»Ich muss dich um etwas bitten«, sagte Woods, während er sich das Shirt über den Kopf zog, es auf den Boden warf und dann anfing, sich die Jeans zu öffnen.
»Okay?« Anstatt ihm ins Gesicht zu sehen, beobachtete ich seine
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