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Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde

Titel: Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Erskine
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bezogenen viktorianischen Sessel, auf den ein paar Kissen geworfen waren. Auf dem unebenen Boden lag ein neuer Teppich, und ein Kleiderschrank reichte bis zur niedrigen Decke. Im Schrank hingen eine Reihe von Kleiderbügeln aus Draht.
    Kate ging wieder nach unten. Ihre ursprüngliche Aufregung und Abenteuerlust hatten sich verflüchtigt. Die Stille bedrückte sie. Sie atmete tief durch, ging in die Küche und griff nach dem Kessel. Während das Wasser kochte, schleppte sie ihre beiden Koffer nach oben und ließ sie dort. Die Kleider und die beiden Röcke, die sie mitgebracht hatte, würde sie nachher aufhängen. Alle anderen Kleidungsstücke œ Jeans, andere Hosen, Pullover œ konnte sie morgen in die kleine Kommode stopfen. Heute abend war ihr nicht nach Auspacken zumute.
    Nachdem sie einige ihrer Bücher und Papiere ordentlich auf dem Tisch im Wohnzimmer gestapelt sowie die mitgebrachten Lebensmittel und den Scotch im Küchenschrank verstaut hatte, fühlte sie sich zu müde, um noch mehr zu tun. Sie machte sich Tee, suchte ein paar Kassetten aus und setzte sich erschöpft auf das Sofa beim Feuer, wo sie sich zusammenkuschelte. Die Hände um die Tasse gelegt, lauschte sie den Klängen von Vaughan Williams aus dem Kassettenrecorder. Des gigantischen Aufs und Abs der See draußen hinter dem Kieseldamm war sie sich seltsam bewußt, obwohl sie es nicht hörte.
    Sie hätte zufrieden sein können. Endlich war sie auf dem Land. Und bereit, mit der Arbeit zu beginnen. Sie hatte die Ruhe und den Frieden, nach denen sie sich gesehnt hatte œ Gregs Verhalten ließ keinen Zweifel daran, daß ihre Privatheit respektiert werden würde -, und trotzdem war in ihr eine quälende Traurigkeit, ein Gefühl der Enttäuschung, das, verdammt, nicht wenig mit Jon zu tun hatte. Noch vor drei Wochen hatte sie mit ihm zusammengelebt, hatte für das Buch recherchiert. All das in geregelten Verhältnissen; eine Londonerin, so lange sie denken konnte. Und jetzt war sie hier in einem kleinen Cottage an der rauhen Nordostküste von Essex, mit Fremden als Nachbarn, ohne Geld, ohne Mann, ohne feste Bleibe. Und Gesellschaft leistete ihr nur Lord Byron.
    Als sie auf den Boden blickte, wo ihre Bücherkartons in einer Pfütze aus Lampenlicht standen, erhob sie sich ruhelos. Sie ging hinüber und zog ihre Brille aus ihrer Jeanstasche. Sie mußte positiv denken. Jon vergessen. London vergessen. Alles vergessen außer dem Buch.
    Sie fuhr zusammen, als oben die Tür zuschlug. Sie blickte zur Decke und konnte plötzlich fühlen, wie ihr Herz irgendwo hinten in ihrer Kehle trommelte. Einen Augenblick lang tat sie gar nichts, dann richtete sie sich langsam auf.
    Im Haus war niemand, also mußte es der Wind gewesen sein. Dennoch blieb sie am Fuß der Treppe stehen und schaute hinauf, in die Dunkelheit. Gregs römischer Legionär kam ihr plötzlich in den Sinn.
    Sie nahm all ihren Mut zusammen und ging hinauf, bis zum Treppenabsatz. Wie vorhin standen beide Türen offen. Sie knipste das Licht an und spähte ins Schlafzimmer, wo sie ihre Koffer Seite an Seite neben den Schrank gestellt hatte. Sie blickte sich im Zimmer um und überzeugte sich davon, daß alles in Ordnung war, dann machte sie das Licht aus. Dasselbe tat sie auf der anderen Seite des Ganges, schaute sich in dem leeren Zimmer um, die Augen unruhig auf die beiden vorhanglosen Fenster gerichtet. Das Glas reflektierte das kalte Licht der Glühbirne, die von der Decke hing, und erneut spürte sie die Schwärze der Nacht da draußen vor dem Haus.
    Sie runzelte die Stirn und ging wieder nach unten. Sie hatte nichts gesehen, was den Lärm hätte erklären können. Sie spähte in das Badezimmer und die Küche und ging dann zurück ins Wohnzimmer.
    Das Zimmer war ausgesprochen kühl. Sie ging zum Ofen, bückte sich und sah, daß der beruhigende Schein der Flamme verschwunden war. Sie griff zum Riegel. Das Metall war heiß. Sie fluchte leise und blickte sich nach einem Schutz für ihre Hände um. Da sie nichts fand, zog sie ihren Ärmel nach vorn, wickelte die Wolle ihres Pullovers um die Finger und rüttelte am Riegel, bis die Klappe aufging. Der Ofen war leer, bis auf ein Häufchen Glut.
    Sie sah sich um, aber es war ihr bereits alles klar. Sie hatte keinen Behälter mit Kohle gesehen, keinen Korb mit Holz. Das Leben in London hatte sie verwöhnt. Heizen war dort kein Problem für sie gewesen; das Umlegen eines Schalters, mehr nicht. Plötzlich dämmerte ihr, daß das heiße Wasser und die Heizung in diesem

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