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Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde

Titel: Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Erskine
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die Stiefel, öffnete die Tür und spähte hinaus in den eisigen Morgen. Der tosende Wind kam aus Nordost und wehte ihr voll ins Gesicht, während sie unter großen Schwierigkeiten die Tür hinter sich zuzog und sich in der Dunkelheit durch den Wald kämpfte. Sie wußte nur, daß sie es bis zum Grab schaffen mußte; sie mußte dort sein, bevor die Flut es wegspülte. Sie mußte es retten.

XXV
    Kate war schließlich doch noch eingeschlafen, vollkommen erschöpft, doch auch sie war um sechs vom Geräusch des Regens an den Fenstern aufgewacht. Der Regen fiel diesmal gleichmäßig, hart und unnachgiebig, und hinter seinem Klang konnte sie den Wind hören.
    Sie wollte nicht aufstehen. Unten gab es etwas Furchterregendes. Etwas, dem sie sich stellen mußte, wenn der Tag anbrach. Aber bis dahin würde sie bleiben, wo sie war, unter der Bettdecke in Sicherheit, die Lichter an. Müde griff sie nach ihrem Buch und legte sich zurück, zwischen die Kissen gekuschelt.
    Als sie sich eine Stunde später aus dem Bett schleppte und aus dem Fenster blickte, konnte sie nichts sehen außer Schwärze, nur gemildert durch die Streifen von Regen, die die Scheibe hinunterliefen. Aber sie brachte es nicht über sich, wieder ins Bett zu gehen. Die Stille vor ihrer Tür war ihr zu bewußt.
    Sie zog Jeans und einen dicken Pullover an und ging hinaus auf den Treppenabsatz, um nach unten zu sehen. Alles schien normal zu sein dort unten. Sie blieb mehrere Sekunden lang stehen, holte dann tief Luft, lief hinunter und warf die Tür zum Wohnzimmer auf. Das Zimmer war leer. Der Holzofen glühte noch immer ruhig vor sich hin. Alles war so, wie es sein sollte. In jedem Zimmer brannte Licht œ Gott allein wußte, wie hoch ihre Stromrechnung sein würde, wenn sie abreiste -, aber alles war ruhig. Es gab keine seltsamen Gerüche, und es lauerten keine Gestalten im Schatten.
    Sie tauchte das Gesicht in kaltes Wasser, machte sich einen Becher starken Kaffee, schüttete sich etwas Müsli in eine Schale und holte Milch aus dem Kühlschrank. Dann schüttelte sie den Kopf. Sie war ein Idiot allererster Güte mit einer Fünf-SternePhantasie œ wie hätte sie sonst eine erfolgreiche Schriftstellerin werden können œ und einer gehörigen Portion von nervösem Bauchgrimmen.
    Alles, was sie jetzt brauchte, war etwas zu essen, einen starken Kaffee und dann einen stärkenden Spaziergang im Regen, um im Kopf wieder klar zu werden. Dann würde sie den Computer einschalten und sich endlich wieder dem jungen George und seiner Mutter zuwenden.
    Das Klopfen traf sie völlig unerwartet. Vor der Haustür stand Greg, den Kragen über die Ohren geschlagen. An seiner Barbour-Jacke floß der Regen in Strömen hinunter. Die Hände hatte er tief in den Taschen vergraben.
    »Sehen Sie. Kein Schlüssel. Ich mußte klopfen«, sagte er mit grimmiger Miene. Der Wind riß die Worte von seinen Lippen und wirbelte sie mit dem Regen davon. »Darf ich reinkommen, oder bin ich zu gefährlich, um mich über die Schwelle kommen zu lassen?«
    »Natürlich können Sie reinkommen!« Kate trat einen Schritt zurück, um ihn vorbeizulassen, und schloß dann mühselig die Tür hinter ihm. »Was soll der Sarkasmus?«
    »Der Sarkasmus, wie Sie es nennen, wurde möglicherweise durch zwei Stunden Verhör bei der Polizei letzte Nacht hervorgerufen, die meinten, mir den Eindruck vermitteln zu müssen, daß sie mich immer noch für den Einbrecher halten.«
    Er zog seine Jacke aus, hängte sie an den Knauf am Fuß des Treppengeländers und schüttelte sich wie ein Hund. »Ich habe mir gedacht, ich komme vorbei, um Ihnen persönlich für den Vertrauensbeweis zu danken und mir bei der Gelegenheit ein oder zwei von meinen Sachen zu holen, die ich lieber nicht mehr hierlassen möchte.«
    Kate konnte spüren, wie eine Feindseligkeit in ihr hochstieg, die seiner in nichts nachstand. »Ich versichere Ihnen, daß ich der Polizei gegenüber nicht behauptet habe, daß Sie es waren. Wenn die das denken, muß sie etwas anderes darauf gebracht haben«, sagte sie wutentbrannt. »Und wenn wir schon dabei sind: Ich frage mich, ob sie nicht vielleicht recht haben. Es sieht nämlich wirklich sehr nach einem Ihrer blödsinnigen Versuche aus, mich hier rauszuekeln. Darum ging‘s doch wohl, nehme ich an? Mich rauszuekeln.«
    »Es wäre wunderbar, Sie hier rauszuekeln.« Er verschränkte die Arme. »Aber wahrscheinlich werden Wind und Wetter das für mich übernehmen. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich jetzt gern mein

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