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Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde

Titel: Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Erskine
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Eigentum holen, und dann überlasse ich Sie ganz Ihrem Triumph.«
    »Was genau ist das für ein Eigentum, das Sie hiergelassen haben?« Sie standen sich in der Diele gegenüber wie ein paar Katzen, die in Kampfstellung gingen. »Ich habe gedacht, Sie hätten Mittwoch nacht bereits alles mitgenommen.«
    »Nur die kaputten Bilder. Es sind noch zwei andere hier. An den Wänden.« Er ging mit großen Schritten an ihr vorbei ins Wohnzimmer. Dort, in der Ecke beim Fenster, hing die kleine Porträtskizze einer Frau. Kate hatte bisher kaum Notiz von ihr genommen. Er nahm sie ab und legte sie auf den Tisch. »Oben ist noch eins. Wenn Sie erlauben.« Mit versteinertem Gesicht drehte er sich um und stieg mit großen Schritten die Treppe hinauf.
    Kate zuckte mit den Schultern. Wie kleinlich man doch sein konnte! Ohne es eigentlich zu wollen, ging sie hinüber zu dem Bild und betrachtete es. Es war die Frau, deren Porträt sie drüben im Arbeitszimmer der Redall-Farm gesehen hatte, aber hier war ihr ganzer Körper zu sehen, mitsamt der Kleider.
    Er war früh genug zurück ins Zimmer gekommen, um zu hören, wie sie nach Luft schnappte. »Was ist los?«
    Sie blickte zu ihm auf, das Gesicht weiß. »Sie haben sie gesehen. Sie haben sie hier gesehen.« Sie war starr vor Schreck.
    »Wen?« In der Hand hielt er das kleine Bild mit den Glockenblumen, das in ihrem Schlafzimmer gehangen hatte. Sie warf einen bedauernden Blick darauf. Es war so anders als sein üblicher Stil. Dieses Bild hatte sie tatsächlich gemocht.
    »Die Frau auf dem Bild. Ich habe sie gesehen. Letzte Nacht.« Er runzelte die Stirn. »Unmöglich. Ich habe sie erfunden. Sie kommt aus meinem Kopf. Sie ist aus mehreren Stilen zusammengesetzt. œ Ein Bild, das ich aus Spaß gemalt habe. Geschmiere.« Das Geschmiere eines Gesichts, das gekommen war, ohne daß er es gerufen hatte, und das ihn seitdem quälte.
    »Ein Geschmiere, das Ihnen so wichtig ist, daß Sie es nicht hierlassen wollen.« Kate sprach so leise, daß er sie nur mit Mühe verstehen konnte.
    »Richtig«, sagte er. Seine Stimme war aggressiv. »Was wollen Sie damit sagen: Sie haben sie letzte Nacht gesehen? Sie hatten Besuch, stimmt‘s? Sind Sie sicher, daß es keine Einbrecherin oder Vandalin war?«
    »Sie war ein Gespenst.« Sie sagte es so tonlos, daß er nicht sicher war, ob er sie richtig verstanden hatte. Einen Moment lang starrte er sie an. Eigentlich war doch er es, der anderen Angst einjagen wollte; er war es, der gehofft hatte, sie mit dem Hinweis auf Geister vertreiben zu können. Und nun hatte sie es mit einem kurzen Satz geschafft, daß es ihm eiskalt über den Rücken lief und sich seine Nackenhaare sträubten.
    Einen Augenblick später schüttelte er den Kopf. Sie versuchte, ihn mit seinen eigenen Waffen zu schlagen. Schön, wenn sie es so haben wollte. »Wo haben Sie sie gesehen?«
    »Da. Etwa da, wo Sie jetzt stehen. Ihre Skizze ist einfarbig, aber ihr Kleid war blau, wie die anderen Bilder, die Sie von ihr gemalt haben, und die Bänder und Kämme in ihrem Haar waren schwarz.«
    Greg mußte heftig gegen den Drang ankämpfen, in einen anderen Teil des Zimmers zu gehen. »Angenommen, ich gebe zu, daß ich sie gesehen habe.« In seinen Träumen; in seinem Kopf; sogar in seinem Herzen. »Macht es Ihnen keine Angst, das Haus mit einem Geist zu teilen?«
    Einen Moment lang sagte sie nichts, als würde sie nachdenken. Sie sah ihm in die Augen. »Ich glaube, wenn ich ehrlich bin, doch, ja.«
    »Aber trotzdem bleiben Sie. Nur, um mir eins auszuwischen.«
    »Wenn ich das sagen darf: Sie machen sich eine sehr übertriebene Vorstellung von der Bedeutung, die Sie für mich haben«, erwiderte sie ernst. »Ich bleibe, weil ich hergekommen bin, um ein Buch zu schreiben; weil ich die nächsten paar Monate hier zu Hause sein will und weil -«, sie hatte das nicht hinzufügen wollen, aber es kam trotzdem heraus, »- weil ich sonst nirgends hin kann. Ich kann mir die Londoner Mieten im Moment nicht leisten.« Warum das so war, ging ihn nichts an.
    »Also bleiben Sie.«
    »Also bleibe ich.« Sie warf einen Blick auf das Bild unter seinem Arm. »Schade, daß Sie das Bild auch mitnehmen. Ich mochte es sehr.« Die Bemerkung war ein Zugeständnis.
    Er ging nicht darauf ein. Es war eine Lappalie, eine hübsche Skizze, auf die er nicht besonders stolz war. »Ich bin sicher, Sie können sich einen Druck kaufen, wenn Sie Glockenblumen an den Wänden brauchen.«
    Ihre Augen verengten sich. »Es geht wohl auch so«, sagte

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