Erst ich ein Stück, dann du! 3 Drachengeschichten - Themenband 4
springt die Prinzessin auf seinen Bauch. Sie stemmt die Hände auf ihre Hüften und funkelt ihn wütend an. „Na, warte!“
„Worauf?“, fragt Draffi und blickt herausfordernd in ihre blauen Augen.
„Das wirst du schon sehen“, entgegnet Tilla. Ihre Augen werden immer größer und fangen an zu blinken und zu flirren. Draffi wird ganz schwindelig davon. Er will weggucken, aber er kann nicht. Sein Kopf fühlt sich an, als ob er mit warmem Pudding gefüllt wäre, und seine Muskeln sind schlaff und wollen ihm einfach nicht mehr gehorchen.
„So ist es gut“, sagt Prinzessin Tilla
und springt von seinem Bauch herunter.
„Und jetzt steh auf und folge mir.“
„Nein“, denkt Draffi. „Ich will nicht.“
Aber er muss tun, was Tilla ihm befiehlt.
Sein Körper steht ganz von alleine auf und seine Füße setzen einen Schritt vor den anderen, obwohl er mit aller Macht versucht stehen zu bleiben.
„Du gehörst jetzt mir“, wiederholt Tilla. „Du musst tun, was ich dir sage. Für immer und ewig.“ Sie hopst in die Luft und schlägt die Hacken zusammen. „Das wird bestimmt lustig“, trällert sie. „Immer nur regieren ist nämlich stinklangweilig. Und meine Freundinnen haben alle einen Drachen. Heute Nachmittag kommen sie mich besuchen. Sie bringen ihre Schnuckiputzis mit und zeigen mir, was sie ihnen für tolle Sachen beigebracht haben.“
Oje, das klingt gar nicht gut.
Draffi schwant Schlimmes.
Auf einmal bereut er es, dass er nie etwas auf die Warnrufe der Wächterdrachen gegeben hat. So viele Jahre ist es gut gegangen, nie ist ein Drache aus ihrer Gegend entführt worden. Fast hat Draffi schon geglaubt, dass es diese schrecklichen Prinzessinnen gar nicht gibt. Jetzt weiß er es besser. Er kann nur hoffen, dass Dogur zu Mama und Papa gelaufen ist und ihnen von dem Unglück berichtet hat. Bestimmt würden sie dann bald kommen und ihn befreien.
Plötzlich ist Draffi sehr zuversichtlich und es macht ihm gar nichts mehr aus, dass er hinter Prinzessin Tilla hertappen muss, als ob er eine Drachenmarionette wäre.
Tilla führt ihn tief in den Wald hinein.
Der Weg ist schmal und holprig.
Draffi stolpert über seine großen Füße.
Immer wieder fällt er auf die Nase.
Aber Tilla kümmert sich nicht darum.
Schließlich steigen sie einen hohen Berg hinauf und wieder hinunter und danach kommt endlich das Schloss in Sicht. Es liegt auf einer kleinen Insel, mitten
in einem leuchtend blauen See. „Trag mich rüber!“, befiehlt die Prinzessin. „Ich möchte nicht, dass meine Röcke nass werden.“
„A-aber i-ich k-kann doch g-gar nicht schwi-schwimmen“, stottert Draffi.
„Dann lass dir was einfallen“, erwidert Tilla.
Ratlos schaut Draffi auf seine Füße hinunter. Sie sind so groß wie Ruderboote. Aber ob sie ihn auch über einen See tragen können?
„Ich warte“, sagt Prinzessin Tilla und tippt ungeduldig mit ihrer Schuhspitze auf und ab. „Eins … zwei … drei …“ Sie schnippst mit den Fingern vor Draffis Nase herum. „Und …?‟
„Äh …“, sagt Draffi. „Wir fliegen.“
„Gut“, meint Tilla.
Sie klettert auf seinen Schwanz
und von dort aus auf seinen Rücken.
„Du bist ein sehr ungemütlicher Drache“, sagt sie.
„Wenn wir im Schloss sind, werde ich als Erstes ein schönes rosafarbenes Reitkissen für dich anfertigen lassen. Und in deine Schuppen könnte man gelbe Federn einarbeiten“, fährt sie nachdenklich fort.
„Deine Zehennägel müssen unbedingt abgesägt werden und außerdem gefällt mir deine Farbe nicht. Du siehst aus wie ein dicker grüner Laubfrosch. Meine Freundinnen lachen mich ja aus, wenn sie dich sehen. Nein, nein, ich werde sofort den königlichen Maler beauftragen, dir einen neuen Anstrich zu verpassen.“ Sie legt den Kopf schief und blinkt Draffi mit ihren Flackeraugen an. „Lila wäre hübsch. Oder hellblau. Auf jeden Fall wirst du ganz still halten.“
Warum hast du mich überhaupt entführt, wenn ich dir nicht gefalle?, denkt Draffi traurig. Vorsichtshalber denkt er es sehr, sehr leise.
Und mit einem Mal ist er gar nicht mehr zuversichtlich. Der Weg bis hierher ist ziemlich weit und unwegsam gewesen. Wenn seine Eltern ihn endlich fanden, würden sie ihn bestimmt nicht mehr wiedererkennen.
Ich will nach Hause!,
denkt Draffi.
Auch das denkt er sehr leise.
„Jetzt flieg endlich!“, ruft Tilla
und klapst ihm auf die Flügel.
Das kannst du haben, denkt Draffi jetzt laut und mutig. Er streckt die Flügel weit aus und drückt sich
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