Erst ich ein Stück, dann du! 3 Drachengeschichten - Themenband 4
hallt es an diesem wunderschönen Sommermorgen durch das Gebirge. „Alles in die Höhlen, was zwei Beine hat!“ Es ist die Stimme von Dogur, einem der Wächterdrachen, die auf den höchsten Felsspitzen sitzen und jede Gefahr zehn Meilen im Voraus wittern können.
Draffi hockt auf einer Waldlichtung und lässt sich die Sonne auf den Drachenkamm scheinen. „Zwei Beine?“, murmelt er, schielt auf seine riesigen Füße mit den großen kräftigen Krallen daran und kratzt sich an der Nase. „Ich glaube, ich habe gar keine Beine. Also muss ich auch nicht heim in unsere Höhle.“
Draffi grunzt zufrieden.
Er schließt die Augen
und reckt
seine Nase wieder
in die Sonne.
„Aaachtung!“, ertönt es abermals und nun springt Dogurs Stimme wie ein Echo von einer Felswand zur nächsten. „Alles heim in die Höhlen, was riesige Füße und lange Krallen hat!“
Draffi öffnet ein Auge, schließt es aber sofort wieder. Wenn er seine Füße nicht anschaut, woher soll er dann wissen, ob sie groß sind und besonders lange Krallen haben? Aus dem Gedächtnis, meldet sein Gehirn.
„Was für ein Gedächtnis?“, murmelt Draffi. „Oje! Ich glaube, ich habe es verloren.“
Er grinst in die Sonne.
Hier im Wald ist es schön.
Daheim in der Höhle ist es dunkel
und langweilig.
„Aaachtung! Alles heim an Papas Herd und Mamas Feuerkanonen, was Draffi heißt und sein Gedächtnis verloren hat!“, donnert Dogurs Stimme direkt in Draffis Ohr.
Draffi reißt die Augen auf, macht vor Schreck einen halben Salto rückwärts und landet bäuchlings auf dem Waldboden. Jemand packt ihn am Schwanz und zieht ihn nach oben. Draffi zappelt und boxt und pustet Feuerwolken in die Luft, doch das nützt ihm nichts. Der Wächterdrache hat ihn fest im Griff und hebt ihn so hoch, dass sie einander in die Augen sehen können. „Hallo Extrawürstchen“, zischelt Dogur. „Ich glaube, ich werde dich heute Abend in meiner Pfanne braten. Ich bin es nämlich leid, dir bei jedem Prinzessinnenalarm hinterherrennen und dich persönlich nach Hause tragen zu müssen. Du bist wirklich sehr ungezogen.“
„Pah!“, schnaubt Draffi. „Euer blöder Prinzessinnenalarm ist doch nur Angstmacherei. Ich bin jetzt einhundertundzwei Jahre alt und mich hat noch nie eine Prinzessin entführt.“
„Dann wird es aber höchste Zeit!“,
ruft ein zartes Stimmchen hinter ihm.
Dogur verdreht die Augen.
Er taumelt vor und zurück
und verzieht sein Gesicht
zu einem dämlichen Grinsen.
„Lass den kleinen Schnuckiputz sofort runter!“, befiehlt die zarte Stimme.
„Dein Befehl sei mir das Wort … äh … “, stammelt Dogur. „Äh, dein Wort sei mir die Extrawurst … äh … Schnuckiputz … äh, Befehl.“
„Jetzt hör auf zu faseln und übergib mir endlich das Junge“, erwidert das Stimmchen. „Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit. Schließlich muss ich das Land regieren. Oder möchtest du, dass ich dich gleich auch noch mitnehme?“
„Nein, bitte nicht!“, ruft Dogur voller Angst.
Vorsichtig setzt er Draffi auf den Boden.
Dann dreht er sich um und rast davon.
Innerhalb einer Blitzsekunde ist Dogur im Wald verschwunden. Draffi hört nur noch das Stampfen seiner Schritte und das Krachen der Äste hinter sich.
Vor ihm steht ein Mädchen im rosafarbenen Rüschenkleid, das ihm nicht einmal bis zum Bauchnabel reicht. Es hat ein feines Gesichtchen, große blaue Augen und goldblonde Locken, die ihr auf den Schultern wippen. „Eure Wächterdrachen sind allesamt Schlappschwänze“, knurrt sie. „Ich kenne keine einzige
Prinzessin, der es jemals misslungen ist, einen von ihnen zu überwältigen.“
„Na und“, brummt Draffi und schaut die Prinzessin finster an. „Mir doch egal. Und jetzt verpuff dich mal wieder. Du wirfst nämlich einen Schatten auf meine Füße.“
Es ist ihm wirklich schleierhaft, aus welchem Grund die Wächterdrachen einen solchen Aufstand wegen dieser frechen kleinen Mädchen machen. Sie sind doch so winzig und so harmlos! Was sollen die ihm schon antun!
„Nix da“, erwidert die Prinzessin.
„Mein Name ist Tilla
und du gehörst jetzt mir.
Ich nehme dich mit auf mein Schloss.“
Draffi reißt sein Maul auf und fängt an zu lachen. Er tanzt im Kreis herum, hält sich den Bauch vor Vergnügen und aus seinen Augen kullern Tränen.
„Hey, hossa!“, ruft Tilla. Ihr Arm schnellt vor und im nächsten Moment wickelt sich ein Tau um Draffis Füße und reißt ihn zu Boden. Diesmal landet er auf dem Rücken.
Mit einem Satz
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