Erst ich ein Stück, dann du! 3 Drachengeschichten - Themenband 4
schnaubte er kräftig aus, die Hitze kroch in seinen Rachen hinauf und schoss schließlich als Stichflamme aus seinen Nüstern hervor. Im Nu brannte der Holzhaufen lichterloh.
Vorsichtig legte Florian das runde blaue Ei in das Feuer. „So, kleiner Bruder“, murmelte er. „Jetzt kannst du wachsen. Aber beeil dich mit dem Schlüpfen. Es gibt nämlich bald Abendbrot.“
Der kleine Drache setzte sich an die knisternde Feuerstelle und wartete geduldig.
„Was machst du denn da?“,
fragte Bruno hinter ihm.
„Ich mache mir einen Bruder“,
sagte Florian.
„Hm“, meinte Bruno. Er kratzte sich hinter dem Ohr.
„Ich glaube, das geht nicht. Brüder können nur von Müttern gemacht werden.“
Florian sah seinen Freund belustigt an. „Wer hat dir denn das erzählt?“
„Mein Papa“, sagte Bruno.
„Dann hat er dich angeschwindelt“, erwiderte Florian.
„Bestimmt will er nicht, dass du selber ein Ei findest und einen Bruder ausbrütest.“
Darüber dachte Bruno eine Weile nach. „Hast du das Ei da gefunden?“, fragte er schließlich und deutete in die Flammen.
Der kleine Drache nickte.
„Es lag auf einem Baum im Wald“,
berichtete er eifrig.
„Es fiel herunter,
aber ich habe es aufgefangen.“
„Ich glaube eher, deine Eltern haben dich angeschwindelt“, sagte Bruno. „Das Ei da sieht nicht aus wie ein Drachenei. Außerdem liegen Dracheneier nicht in Bäumen herum. Sie müssen gelegt werden.“
„Aber das habe ich doch“, entgegnete Florian. „Ich habe das Ei ins Feuer gelegt.“
Bruno verdrehte die Augen. „Doch nicht so“, stöhnte er und deutete auf seinen Hintern. „Die Mütter pressen die Eier hier raus.“
„Aus dem Po?“, fragte Florian erschrocken.
„Genau“, bestätigte Bruno. „Sie machen es mit viel Kraft und zugleich mit großer Vorsicht. So etwas können nur Mütter, hat Papa gesagt. Und man nennt es Legen. Vielleicht war es deinen Eltern ja peinlich, dir zu sagen, dass die Eier aus dem Po kommen“, fügte er nachdenklich hinzu.
„Hmm“, Florian betrachtete das blaue Ei. „Und was machen wir jetzt damit?“
„Wir bringen es in den Wald zurück“, schlug Bruno vor. „Bestimmt gehört es einer anderen Mutter und die vermisst es vielleicht schon.“
Florian war sofort einverstanden. Er sprang auf die Füße und wollte das Ei aus dem Feuer nehmen.
Da knackte es plötzlich
und die Schale bekam einen Riss.
„Oje!“, rief Bruno. „Mach schnell!“
Gemeinsam pusteten sie das Feuer aus.
Behutsam nahm Florian das angeknackste Ei aus der glühenden Kohle und legte es in Brunos Pranke. Im selben Augenblick brach die Schale auseinander und ein kleines rosafarbenes Etwas kam zum Vorschein.
Es hatte einen breiten schwarzen Schnabel, den es nun weit auseinanderriss. „Friiieeep!“, schrie es und gleich noch einmal: „Friiieeep.“
„Das ist kein Drache“, sagte Florian.
„Nee“, sagte Bruno. „Das ist ein Vogel.“
Schnell rasten die Drachenjungen in den Wald hinein und schon bald fand Florian die Reisigkugel, in der das Vogelei gelegen hatte. Er setzte das Tierchen hinein und deckte es mit frischem Gras zu, damit es nicht fror.
„Das ist ein Nest“, erklärte Bruno ihm. „Du musst es auf den Ast zurücklegen, damit seine Mutter es finden kann.“
Das leuchtete Florian ein. Er klappte seine Flügel aus und flatterte suchend in den Baumkronen umher, bis er den richtigen Ast gefunden hatte. Sachte setzte er das Nest mit dem kleinen Vogel darauf ab.
Leider konnten sie nicht auf seine Mutter warten, denn es war höchste Zeit, endlich zurück in ihre Höhlen zu laufen.
„Wenn ich zu spät heimkomme, muss ich ohne Abendsuppe ins Bett“, sagte Bruno.
Die Drachenjungen verabredeten, gleich am nächsten Tag nach dem Vogeljungen zu sehen. Hoffentlich findet seine Mutter es wieder, dachte Florian wehmütig. Inzwischen bereute er, dass er das Ei aus dem Wald geholt hatte.
Flugs sauste er nach Hause.
In der Höhle herrschte große Freude.
Florians Schwester war geschlüpft.
Sie hieß Fanta und sie war sehr klein
und roch ziemlich rosig.
Florian fand Fanta gar nicht mal so übel. Er wollte sie gleich auf den Arm nehmen und ihr sein Schlaflager
und seine Steinsammlung zeigen, doch Mama meinte, dass er sich noch ein paar Tage gedulden müsse, bis seine Schwester ein wenig gewachsen und grün geworden sei und ohne Hilfe herumlaufen könne.
„Leider gibt es nicht nur gute Nachrichten“, erzählte Florians Vater und machte ein trauriges Gesicht.
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