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Erstkontakt

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Titel: Erstkontakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack McDevitt
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tiefer Graben; aber es war in gewissem Sinn eine Brücke über die Zeit: Am anderen Ende wartete Oppenheimer. Und Fermi und Bohr. Und die anderen, die das kosmische Feuer entfesselt hatten.
    Es mußte einen Moment gegeben haben, so dachte er, in Los Alamos oder Oak Ridge oder an der Universität von Chicago, in dem sie erkannt hatten, welche Folgen ihre Arbeit haben würde. Waren sie niemals zusammengekommen und hatten sich darüber unterhalten? War es eine bewußte Entscheidung gewesen, trotzdem weiterzumachen, nachdem im Winter 1943-44 klargeworden war, daß die Nazis eben nicht dicht davorstanden, eine Atombombe zu bauen? Oder war die Entwicklung einfach nicht aufzuhalten gewesen, so daß sie ihr wohl oder übel hatten folgen müssen? Von Begeisterung erfüllt, am Ende doch das Geheimnis der Sonne aufzuklären?
    Rimford hatte sich vor sehr langer Zeit einmal mit Eric Christopher unterhalten, dem einzigen Physiker des Manhattan Project, den er je kennengelernt hatte. Als sie sich trafen, war Christopher ein uralter Mann gewesen, und Rimford hatte ihm die Frage unbarmherzig entgegengeschleudert. Es war in seiner Erinnerung der einzige Augenblick gewesen, in dem er sich wirklich ausgesprochen grausam verhalten hatte. Und Christopher hatte gesagt, ja, es ist sehr einfach für Sie, nach so langer Zeit genau zu wissen, was wir eigentlich eher hätten tun sollen. Aber damals gab es die Nazis in unserer Welt. Und einen brutalen Krieg im Pazifik und die Aussicht auf eine Million toter Amerikaner, wenn wir die Atombombe nicht entwickelten.
    Aber es mußte doch einen Augenblick gegeben haben, einen Zeitpunkt, in dem sie erste Zweifel hatten, in dem sie etwas hätten für die Zukunft tun können, in dem die Geschichte eine ganz andere Bahn hätte einschlagen können. Diese Wahlmöglichkeit hatte bestanden, wie kurz auch immer: Sie hätten einen Rückzieher machen können.
    Die Manhattan-Chance.
    Rimford eilte durch die Nacht, auf den dunklen Landstraßen von etwas verfolgt, das er nicht benennen konnte. Und er fragte sich eindringlich, ob die Welt insgesamt nicht sicherer wäre, wenn er in dieser Nacht hier draußen den Tod fände.
     
    Leslie hatte sich während des Tumultes ein blaues Auge geholt. Es verfärbte sich bereits dunkel, und sie hatte auch einige Rippenprellungen abbekommen. »Man sollte sich vor großen Menschenmassen hüten«, sagte sie, während sie mit den Fingerspitzen die Schwellung ihres Auges prüfte.
    »Sie sehen aus wie eine Preisboxerin«, stellte Harry fest.
    »Und keine besonders gute dazu. Was hatte Freeman zu seiner Verteidigung zu sagen?«
    Sie saßen in einem italienischen Restaurant in der Massachusetts Avenue, unweit vom Dupont Circle. »Er hat die Verantwortung übernommen. Das hat mich überrascht.«
    »Es muß für ihn schwierig gewesen sein. Ich glaube nicht, daß er in seinem Leben sehr viel Schlimmes gesehen hat. Jedenfalls nichts in der Art, wofür er jetzt die Verantwortung mittragen muß. Er weiß, daß ein Kind gestorben ist, und er weiß auch, daß es nicht dazu gekommen wäre, wenn er weggeblieben wäre. Und ich denke, das ist für ihn ziemlich schlimm. Freeman geht es viel besser, wenn er das Opfer sein kann.«
    »Ich habe ihn gefragt, warum er es getan hat«, erzählte Harry. »Ich kannte die Antwort: Es war eine günstige Gelegenheit, in die Abendnachrichten zu kommen.«
    »Das ist wahr«, sagte sie. »Aber das erklärt es nicht ganz. Ich glaube nicht, daß er alleine aus egoistischen Gründen so handelt. Ich meine andere Gründe als die innere Befriedigung, die er aus dem Gefühl gewinnt, die rechte Hand Gottes zu sein, natürlich. Freeman ist kein Heuchler, Harry. Er ist ein Gläubiger. Und wenn er über eine Welt spricht, die an den Ufern des Jordans liegt und von einer Gottheit beherrscht wird, die sich um ihre Kreaturen sorgt, wenn er aus Psalmen zitiert, die so schön sind, daß man sich tatsächlich fragt, ob so etwas einem menschlichen Geist entsprungen sein kann, dann ist es sehr einfach, sich zu wünschen, daß die Dinge wirklich so sind. Ich meine, es ist ein besseres Arrangement, als die Leute es tatsächlich vorfinden. Gambini versuchte einmal mir zu erklären, warum das Universum keine richtige Grenze hat, trotz der Tatsache, daß es mit irgendeiner Eruption begonnen haben muß, und ich hatte nicht die leiseste Idee, wovon er überhaupt redete. Eure Welt ist kalt und dunkel und sehr groß. Freemans Welt ist – oder war – ein Garten. Die Wahrheit ist, Harry, daß

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