Erstkontakt
verlieren werden. Gut, vorher könnten wir sowieso keine Verkäufe unterbringen. Reiten wir also den Sturm ab. Wahrscheinlich wird es heute nachmittag wieder aufwärts gehen, und wir machen dreißig Prozent der ersten Verluste wieder gut. Was danach geschieht, hängt davon ab, was die Regierung zu melden hat.« Er schloß die Augen. »Herrgott, manchmal hasse ich dieses Geschäft. Na schön, rufen wir unsere Liste durch. Beruhigen wir sie. Sagen wir ihnen, daß wir die Entwicklung im Auge haben. Wer verkaufen will, der soll es tun. Ich für meinen Teil glaube, daß jetzt ein geeigneter Zeitpunkt zum Kaufen ist. Und das können Sie ihnen auch klarmachen.«
Als er alleine war, griff Milo nach dem Telefon und rief in Washington an.
Rudy McCollumb war ein Eisenbahnmann. Er war mittlerweile pensioniert, aber das hatte seine Grundeinstellung nicht verändert. Er war mit den alten dampfgetriebenen Neunachsern über die Prärien gedonnert, hatte Holz nach Grand Forks und Pottasche nach Kansas geschafft. Er hatte während des Zweiten Weltkriegs im Frachtbüro in Noyes, Minnesota, angefangen. 1944 hatte er den Marines beitreten wollen, war jedoch wegen seines Asthmaleidens abgelehnt worden. Damals hatte man ihm gesagt, er könne dem Vaterland besser an der Heimatfront dienen.
Für Dinge, die sich nicht bewegten, hatte er wenig übrig, daher bewarb er sich um jeden Bremserjob, der sich bot, bis sie ihm endlich einen Güterzug gaben, der zu den Twin Cities hinunterfuhr.
Danach war er vierzig Jahre lang Schaffner bei der Great Central und hätte sogar einmal Stationsvorsteher in Boulder werden können, aber das gefiel ihm nicht, und so blieb Rudy weiter auf Achse, bis seine Haare weiß wurden und der Wind sein Gesicht gerbte.
Am Ende gaben sie ihm tausend Dollar und eine goldene Uhr.
Er ließ sich in Boulder in einem kleinen Apartment an der Hauptstrecke nieder. Er legte die tausend Dollar zu seinen Ersparnissen, die recht beträchtlich waren, und steckte alles in die Great Central. Vier Jahre lang erhielt er großzügige Dividenden, und der Wert seiner Aktien stieg sogar um einige Punkte.
Aber die Haupteinnahmequelle der Eisenbahn war die Kohle. Die endlosen Ketten von Fallbodenwagen transportierten sie von den Gruben im Westen zu den Elektrizitätswerken im Osten: und als der Aktienmarkt am Montag, dem 11. März, zusammenbrach, gingen die Great Central und Rudys Geld mit unter.
Am Dienstagabend, nach einem den ganzen Tag währenden Besäufnis gegenüber dem Güterbahnhof in Boulder schleuderte er einen Ziegelstein in die Glasfront von Harmon & McKissick, Inc., Brokers.
Rudy McCollumb war zweiundneunzig Jahre alt. Es war das erste Mal in seinem Leben, daß er mit vollem Bewußtsein etwas Ungesetzliches getan hatte.
Marian Courtney wußte sofort, daß etwas nicht stimmte: Der blaue Plymouth fuhr in Schlangenlinien über die zwei Fahrspuren, als er sich von Westen auf der Greenbelt Road näherte. In der Nähe des Haupttores verlangsamte er seine Fahrt und bog dann abrupt scharf nach links in den entgegenkommenden Verkehr ab. Hupen dröhnten; er drängte einen Citation ab, der längsseits gegen den Mittelstreifen prallte. Aber der Plymouth fuhr weiter.
Marian trat aus der Aufsichtskabine auf den schmalen Pflasterstreifen, der die Fahrspuren voneinander trennte. Reflexartig glitt ihre Hand zu der 38er an ihrer Hüfte, aber sie löste nicht den Sicherheitsgurt, der die Waffe im Halfter fixierte.
Der Wagen bremste; Marian gewann einen kurzen Eindruck von dem Fahrer, während der Wagen seine Fahrt fortsetzte. Er sah aus, so erkannte sie mit einem Frösteln, wie Lee Oswald, ein Wesen voll düsterer Stimmungen und unverschämter Drohungen. Er lächelte sie an, als sie den 45er sah.
Das Fenster hinter ihr explodierte. Sie spürte plötzlich einen stechenden Schmerz im Bauch, kippte nach hinten in die Kabine und landete auf dem Fußboden, während der Mann methodisch das restliche Glas zerschoß. Dann fuhr er weiter auf die Road 1 und schoß mit der Automatik auf eine Gruppe Fußgänger. Sie rannten schreiend auseinander: einige stürzten, und zwei oder drei blieben still liegen, nachdem er vorbeigefahren war.
Die Sicherheitskräfte reagierten verspätet. Der Plymouth befand sich bereits auf Road 2 und war schon fast außer Sicht, ehe ein Verfolgerfahrzeug aus dem Haupttor herausfuhr. Marians Sprechfunkgerät begann zu plärren. Sie strich sich zitternd die Glasscherben aus den Haaren. Ihr Chef spurtete aus dem
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