Erstkontakt
am deutlichsten erinnerte, waren nicht die Ideen, sondern die Hunde. Während er mit Materie und hyperbolischem Raum herumjonglierte, schien die Nacht voll von kläffenden Hunden zu sein.
Es wurde spät. Der Komet und der Mond standen beide niedrig im Westen. Rimford interessierte sich nicht sonderlich für Kometen, und er konnte Leute nicht verstehen, die dafür Interesse hegten. Es gab, so meinte er, von einem solchen Objekt nur wenig mehr zu erfahren als seine unwesentliche Zusammensetzung, allenfalls vermochte man letztendlich das Alter der Erde auf ein paar Millionen Jahre herauf- oder herabzusetzen.
Er stieg langsam den Berg hinab und genoß dabei die kühle Nachtluft und die Einsamkeit. Unweit einer Palmengruppe, rund hundert Meter vom Gipfel entfernt, gab es eine Stelle, von wo aus er sein Haus sehen konnte. Wie ein Kind blieb er dort immer stehen, um sich an dem warmen Licht und den vertrauten Umrissen zu erfreuen. Alles in allem hatte er nur wenig, worüber er sich beklagen konnte. Wenn das Leben auch äußerst kurz war, so war es jedoch nichtsdestoweniger schön gewesen.
Rimford erinnerte sich an eine Geschichte bei Herodot, die von einem griechischen Philosophen berichtet, der ein asiatisches Königreich besuchte. Der Herrscher selbst wollte von dem Philosophen wissen, wer der glücklichste Mensch sei. Der Philosoph erkannte, daß der König selbst als Glücklichster aller Menschen betrachtet werden wollte, da er schließlich eine beneidenswerte Herrscherposition innehatte. Doch der Besucher hatte etwas ganz anderes im Sinn. »Vielleicht«, erwiderte er, »ist es ein Bauer, den ich kannte und der in der Nähe von Athen lebte. Er hatte hübsche Kinder, eine Frau, die ihn liebte, und er starb auf dem Schlachtfeld, wo er sein Vaterland verteidigte.« Rimford rechnete nicht damit, in irgendeinen bewaffneten Kampf zu ziehen, aber er war nichtsdestoweniger stets ein eifriger Kämpfer gewesen, nicht für eine bestimmte Fahne, sondern für die Menschlichkeit.
In der Dunkelheit verzog er die Lippen zu einem Lächeln. Er war zufrieden mit sich selbst. Es bestand die Wahrscheinlichkeit, daß das Rimford-Universum sich eines Tages zur Euklidischen Geometrie und zur Newtonschen Physik gesellen würde – als ein System, das zwar eine Menge für sich hat, sich am Ende aber als nicht ganz stimmig erwies. Das wäre nicht schlimm. Wenn man die großen Erkenntnisse des zwanzigsten Jahrhunderts zusammenzählte, würde man wissen, daß auch Rimford dabei gewesen war. Und auch wenn er und Hawking und Penrose einiges falsch erklärt hatten, vielleicht sogar vieles, so hatten sie sich auf jeden Fall an einer Erklärung versucht. Er war zufrieden.
Seine Kollegen erwarteten, daß er sich schon in Kürze zur Ruhe setzte. Und wahrscheinlich würde er das auch tun. Er hatte seine allmählich schwindende Fähigkeit, Ideen zu entwickeln, erst kürzlich erfahren müssen: Gleichungen, die früher einmal als Visionen galten, waren auf reine Mathematik reduziert worden. Seine kreative Arbeit war beendet, und es wurde Zeit, Platz zu machen.
Agnes telefonierte, als er hereinkam. »Er ist jetzt da«, sagte sie in die Sprechmuschel. Sie hielt ihm den Hörer mit einem Augenzwinkern hin. »Ed Gambini«, sagte sie. »Ich glaube, er braucht Hilfe.«
Leslie Davis fuhr am Montagabend von Philadelphia herüber, übernachtete bei Freunden in Glen Burnie und setzte am nächsten Morgen die Fahrt über den Baltimore-Washington Expressway zu Goddard fort.
Das Space Flight Center lag eingebettet zwischen grasigen Hügeln und den schlichten Mittelschichthäusern von Greenbelt, Maryland. Der Komplex bestand aus sieben Bürogebäuden, elf Laboratorien und mehreren Versorgungsbauten, die auf einem Gelände von rund zwölfhundert Morgen standen. Es gab ein paar Parabolantennen, die auf Betonplatten und Dächern befestigt waren, einen Wasserturm und ein Besucherzentrum. Das Gesamterscheinungsbild erinnerte Leslie weniger an eine Einrichtung des High-Tech- und Raumfahrtzeitalters, sondern vielmehr an eine kleine Militärbasis.
Sie wies sich am Eingangstor aus. Man gab ihr einen vorläufigen Pass, trug sie ins Besucherbuch ein und erklärte ihr den Weg zum Forschungslabor.
Leslie wußte nicht, warum man sie gebeten hatte, zu Goddard zu kommen. Gambini hatte sich am Telefon sehr geheimnisvoll gegeben, und sie hegte den Verdacht, daß es bei Goddard einige sehr ernste Probleme mit dem Personal geben mußte. Sie hatte entsprechende Untersuchungen
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