Ertränkt alle Hunde
Mordkommission«, sagte der Priester ehrfürchtig, »genau wie Sie mir gesagt haben.«
»Dann sind Sie der Priester, mit dem ich telefoniert habe? Father...?«
»Father Owen Curley.«
»Genau. Darf ich vielleicht eintreten, Father?«
»Oh, Entschuldigung. Ja, natürlich.«
Mogaill betrat ein schummrig von einem Kronleuchter erhelltes Foyer, an dem mehrere Glühbirnen fehlten. Die Tapete an den Wänden löste sich. Die Bodendielen unter einem fleckigen
Teppich ächzten. Das Gebäude verströmte einen seifigen Geruch nach alten Männern. Eine Katze jagte eine Küchenschabe an einer Fußleiste und tötete sie mit neugierigen Tatzenschlägen.
»Wo sind die anderen heute abend?« fragte Mogaill und trat an Father Curley vorbei in einen Salon, der vom Foyer abging. Dieser Raum war heller und möbliert mit Schaukelstühlen aus Rattan, rissigen ledernen Clubsesseln und Leselampen. Es gab einen Kamin, einen Fernsehschrank und einen runden Eichentisch, auf dem in ordentlichen Stapeln ungelesene Exemplare des »Katholischen Boten< lagen. Father Curley antwortete: »Also, in der Kapelle. Sie beten für die Seele unseres armen Bruders Tim.«
»Natürlich.«
»Ihre Nachricht kam für uns alle wie ein Schock.«
»Dann sollten wir die Gebete am besten nicht stören.«
»Nein.«
Mogaill drehte sich wieder zum Foyer um. Er ging zu einer getäfelten Treppe und blieb stehen. Er legte eine Hand auf einen Antrittspfosten und schaute in die Dunkelheit des ersten Treppenabsatzes auf. Er sagte zu Father Curley hinter sich: »Sie haben mir am Telefon gesagt, Father Kelly sei heute morgen nicht ganz auf dem Posten gewesen?«
»Ja, er war ziemlich daneben«, sagte Father Curley. »Es war gar nicht seine Art, so lange mit dem Frühstück zu warten. Gutes Essen war Bruder Tim die liebste aller reichen Gaben Gottes.«
»Sie haben ebenfalls erwähnt, daß sich Ihr Zimmer direkt neben seinem befindet?«
»Das ist richtig. Wir sind viele Jahre Zimmernachbarn gewesen.«
»Würden Sie mir jetzt sein Zimmer zeigen?«
»Natürlich, ja.« Father Curley drückte auf den Knopf einer Schalterleiste an der Foyerwand und machte Licht auf der Treppe. Er ging an Mogaill vorbei und voraus auf den ersten Treppenabsatz, blieb dann stehen und fragte: »Aus allem, was Sie mir gesagt haben, schließe ich, daß der arme Bruder Tim sich das Leben genommen hat. Da Sie aber von der Mordkommission sind... nun, glauben Sie wirklich, es könnte sich hier um Mord handeln?«
»Es gibt Augenblicke, da weiß ich wirklich nicht, was ich glauben soll.«
»Aber ein Mann mit Ihrer Erfahrung... Sie werden doch bestimmt eine Meinung haben.«
»Meiner Meinung nach sind die Menschen nicht vollkommen.«
»Ich muß Ihnen sagen, daß Bruder Tim ein guter Freund und Priester gewesen ist«, sagte Father Curley. Frostig fügte er hinzu: »Und ein guter Mensch.«
»Trotzdem, wenn man gute Seide im Regen hängen läßt, läuft sie ein.«
»Captain Mogaill, Sie sind doch Katholik, oder?«
Mogaill dachte: das ist es also. Er sagte: »Ein guter Katholik sollte besser kaltblütig ermordet werden, als die Todsünde des Selbstmords zu begehen?«
Der Priester brummte etwas auf Latein und bekreuzigte sich. »Vielleicht sollten wir diese Sache einfach hinter uns bringen, Captain.« Father Curley ging den nächsten Treppenabsatz hinauf. Mogaill folgte ihm wortlos. Sie gingen den halben Flur im ersten Stock hinunter bis zu Father Kellys Tür. Father Curley drückte sie auf und sagte: »Bitte.«
Es war ein ordentliches Zimmer, funktional und schlicht mit all der Wärme und Persönlichkeit eines Flughafenhotels. Auf den farblosen Wänden nichts außer einem Kruzifix. Es gab ein durchgelegenes Doppelbett mit Chenille-Bezug, eine Kommode, einen kleinen Schrank, einen Sessel und einen Tisch vor dem Fenster. Eine blinkende Zwölf auf dem Anrufbeantworter war das einzige Lebenszeichen.
Mogaill brauchte keine zwei Minuten, um Father Timothy Kellys Besitz zu durchsuchen, die gesamte Habe eines Mannes, der so viele Jahre gelebt hatte; ein Priester, der unvorstellbare Erinnerungen besaß und eine alte Waffe, die sie am Ende ausgelöscht hatten.
Er war nicht weiter überrascht, versteckt hinter den Socken in einer Schublade der Kommode die Flasche Jameson zu finden. Genausowenig verwunderte es ihn, daß Father Curley bei dieser Entdeckung Erstaunen heuchelte. Davy Mogaill hatte Verständnis für einen Mann, der sich im Alkohol versteckte; er verstand ebenfalls, daß eine Scharade nur dann
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