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Ertränkt alle Hunde

Ertränkt alle Hunde

Titel: Ertränkt alle Hunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Adcock
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etwas taugt, wenn es Freunde gibt, die behaupten, es nicht gewußt zu haben.
    Bei seiner kurzen, aber gründlichen Durchsuchung fand Mogaill nur einen einzigen Gegenstand, der möglicherweise Bedeutung besaß. Diesen ließ er in seine Tasche gleiten. Dann wünschte er dem Priester mit den toten grauen Augen noch eine gute Nacht.

    Davy Mogaill war alles andere als versessen, nach Hause zurückzukehren. Das war er nie.
    Das Haus in Queens, in dem er einmal mit seiner Frau gewohnt hatte, war kalt geworden, so kalt und leblos wie das Zimmer, das er gerade erst durchsucht hatte. Nach Brendas Tod hatte er das Haus verkaufen und sich in Manhattan ein kleines Apartment nehmen wollen. Aber wo sollte er all ihre Sachen unterbringen? Also war er bei Brendas Besitztümern geblieben, alle ordentlich in Zimmern gelagert, die er nur selten betrat, in einem Haus, dessen Herz und Freude herausgeschnitten worden waren. Und während all dieser einsamen Jahre arbeitete sich Mogaill hoch, bis er schließlich zum Captain befördert wurde.
    Bevor er die Bronx verließ, fuhr Mogaill mit dem ungekennzeichneten Plymouth zu einem Lokal am Broadway Ecke Twohundred-fortieth Street. Er erwartete, daß jemand ihm folgte, und so war es auch. Die dunkle Limousine wartete direkt auf der anderen Straßenseite. Er wählte eine Sitznische, von wo aus er aus dem Fenster auf die Straße sehen und die brennende Zigarette des Fahrers im Auge behalten konnte.
    Eine Kellnerin, nicht älter als Brenda gewesen war, als er sie heiratete, kam an seinen Tisch. Wie seine Brenda hatte auch dieses Mädchen Haare von der Farbe zartroter Blätter in den Galty Mountains im Oktober und ein freundliches Lächeln, das einen wehmütigen Mogaill nach Hause ins County Kildare führte. Sie
    stellte ein Glas Wasser auf den Tisch, gab ihm die Speisekarte und fragte: »Soll ich Ihnen ein paar Minuten Zeit lassen?«
    Mogaill brachte kein Wort heraus, als er zu antworten versuchte. Er trank einen Schluck Wasser.
    »Mit Ihnen alles okay?« erkundigte sich die Kellnerin.
    »Sie haben mir einen Schrecken eingejagt.«
    »Ich habe was -?«
    »Liebes Mädchen, Sie erinnern mich an meine Frau.«
    »Ich bin siebzehn, Mister.«
    »Ich hab’s nicht blöd gemeint -«
    »Gut.«
    »Meine Frau ist tot.«
    »Tut mir leid.«
    »Sie war von der anderen Seite.«
    »Von der anderen was -?«
    »Aus Irland.«
    »Oh.«
    »Wir hatten nur zwei Jahre zusammen. Und das ist auch nicht annähernd genug Zeit, nicht wahr?«
    »Ich weiß nicht, was ich sagen soll.«
    Er auch nicht. Betreten stand das Mädchen mit Haaren von der Farbe der herbstlichen Berge da, das Lächeln war verschwunden. Mogaill starrte aus dem Fenster des Lokals. Er konnte die an einen Panther erinnernden Konturen der Limousine sehen, die brennende Zigarette darin, die von einer unsichtbaren Hand an unsichtbare Lippen gehoben wurde und dann wieder verschwand.
    Er schlug die Speisekarte auf, warf einen kurzen Blick hinein und sagte zu dem Mädchen: »Ich muß mich entschuldigen, Miss. In letzter Zeit werde ich von Erinnerungen heimgesucht, die nicht besonders angenehm sind.«
    »Oh.«
    »Ich nehme Fish and chips.«
    Das Mädchen schrieb es auf einen Block und war froh, mit der Bestellung zur Küche verschwinden zu können. Zehn Minuten später wurde Davy Mogaills einsames Abendessen von einem Aushilfskellner serviert, der sich darüber beschwerte, daß die Kellnerin urplötzlich beschlossen hatte, ihre Pause zu nehmen.
    Mogaill aß seinen Teller nur zur Hälfte leer, legte genug Geld auf den Tisch, um das Essen zweimal zu bezahlen, und verließ dann das Lokal. Er schenkte es sich, nach der dunklen Limousine zu sehen. Er vermutete, daß sie ihm folgen würde, was sie dann auch tat.
    Auf dem Nachhauseweg stellte er im Autoradio einen Nachrichtensender ein, einen Sender der Art, bei dem man weiß, daß eine Story wirklich groß ist, wenn sie mit Adjektiven und Bildern ausgeschmückt wird und wie aus einem Hallraum klingt. Mogaill hatte fast die Queens-Seite der Triborough Bridge erreicht, als der Ansager, der durchaus irgendwo in den Schweizer Alpen hätte stecken können, den »schockierenden sonntäglichen Selbstmord von Father Timothy Kelly« meldete, eines »beliebten, aber offenbar sorgengeplagten Priesters, der eine Handfeuerwaffe an seinen Kopf legte, nachdem er einem anderen Priester seine schrecklichen geheimen Ängste gebeichtet hatte - mitten im Altarraum der Manhattaner Holy Cross Church, dem Gotteshaus der Hoffnung in Hell’s

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