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Ertränkt alle Hunde

Ertränkt alle Hunde

Titel: Ertränkt alle Hunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Adcock
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stand.
    Dorthin setzte er sich, um zu warten. Und zu trinken und sich erneut zu fragen, wohin das alles noch führen sollte.
    Um Mitternacht klingelte es an seiner Haustür.

10

    Ruby stupste meine Schulter an. »Hock, sieh nur - wir sind da! «
    Ich erwachte aus verschwitzten Träumen von Krieg und von Geistern, verlogenen Aristokraten und begriffsstutzigen Journalisten. Mein Gesicht und Hals fühlten sich so klamm an wie der Handschlag eines Metzgers.
    Sie stieß mich wieder an und deutete aus dem Kabinenfenster. Dort unter uns, am Horizont des Atlantiks, war Irland zu sehen: eine graue Linie anbrandender Wellen; die vom Meer bearbeiteten Steilfelsen der Küste, gekrönt von Grün; weißer Meeresdunst, der wie Geysire zwischen zerklüfteten Klippen aufstieg; Sonnenlicht, das sich in dem Gischt über der See in blauen, gelben und roten Bändern krümmt.
    »Mein Gott, es ist wunderschön«, sagte Ruby.
    Und wie es das war. Mein ganzes Leben lang hatte ich darauf gewartet, diesen ersten Anblick von Irland zu genießen; immer hatte ich an den einfachen Zauber geglaubt, durch die Zeit zurückzukehren, zu sehen, was meine Vorfahren sahen, zu gehen, wo sie gegangen waren, zu wissen, was sie wußten. Jetzt war der Augenblick gekommen.
    Aber es war durchaus nicht so einfach, wie ich lange geglaubt hatte. Da waren die jüngsten Träume und Stimmen in meinem Kopf, die ausnahmslos warnten, daß die verlassenen Kümmernisse der Einwanderer darauf warteten, von Leuten wie mir entdeckt zu werden.
    Ruhigen Schlaf wird es nicht geben... Die Zeit ist ein Vandale...
    Ich zuckte mit den Achseln und sagte: »Wunderschön - und auch schrecklich.«
    Ruby drehte sich vom Fenster fort. »Was hast du?«
    »Irische Augen lächeln nicht immer.«
    »Deine sollten aber, nach all den Drinks, die du dir genehmigt hast. Und dem Nickerchen.«
    »Das war nicht erholsam.«
    »Was? Hattest du einen Albtraum?«
    »Albträume machen einem nur angst.«
    »Hast du wieder von deinem Vater geträumt?«
    »Du weißt davon?«
    »Nicht besonders schwer, es mitzubekommen.«
    »Ich kann seine Stimme hören. Ich weiß, das klingt verrückt.«
    »Dann ist es eben ein kleines bißchen verrückt. Was sagt er denn?«
    »Ich bin nicht immer sicher, was.« Ich warf einen weiteren langen Blick auf die zerklüftete irische Küste, die immer näher kam. Ruby schaute auch hinaus. Hinter den Klippen lagen braune Torfmoore, Dörfer und nebelverhangene Weiden.
    »Vielleicht«, meinte Ruby, »sagt er dir, daß die Dinge dort unten auf der Erde nicht mit der Ansichtskarte übereinstimmen, die wir von hier oben sehen.«
    »Wie zum Beispiel was?«
    »Ich habe mal einen Film über einen irischen Bauern gesehen. Er war absolut nicht der Meinung, die alte Erde sei so wunderbar. Er sagte, das irische Land sei so hart, daß es den Teufel zum Weinen bringe.«
    Das Flugzeug neigte sich leicht nach vorn, und das Heulen der Düsentriebwerke wechselte die Tonhöhe, als wir nun das Meer hinter uns ließen. Wir begannen den langen, sanften Landeanflug auf Dublin an der Ostküste, gar nicht mehr so weit entfernt. Ich sah auf meine Uhr. In weniger als einer Stunde würde ich bei meinen Ahnen sein. Willst du es wirklich wissen?

    »Hast du einen Wagen bestellt?« fragte Ruby.
    »Nein«, antwortete ich.
    »Wer ist denn dann der Bursche da drüben, der eins von diesen kleinen Schildern hochhält? Da steht dein Name drauf!«
    Wir hatten gerade die Zollabfertigung hinter uns. Was heißen soll, Ruby war endlich durchgelassen worden. Mein eigenes hellhäutiges und vertrauenswürdiges Gesicht war von den braununiformierten Beamten durchgewinkt worden. Da Ruby nicht die gleiche Erbmasse besaß wie ich, wurde sie zu einer Gepäckkontrolle von der Art zurückgehalten, wie sie mutmaßlichen Terroristen und Drogenkurieren Vorbehalten ist. Zu Hause hätten wir deswegen ein Mordstheater veranstaltet; als Fremde waren wir lammfromm. Aber wir hätten uns beschweren sollen. Seitdem habe ich beschlossen, daß es nicht unbedingt von Vorteil ist, es den Römern gleichzutun, wenn man in Rom ist. Nennen Sie mich ruhig einen häßlichen Amerikaner.
    Jedenfalls befanden wir uns im Hauptterminal des Dubliner Flughafens, wo keiner meiner Ahnen wohl jemals gewandelt war; ganz sicher ist keiner von ihnen jemals von einem Mann in Chauffeurslivree empfangen worden. Und doch stand er da im Korridor, verlagerte geduldig das Gewicht seines massigen Körpers von einem Bein auf das andere, ein etwa fünfundzwanzigjähriger

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