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Ertränkt alle Hunde

Ertränkt alle Hunde

Titel: Ertränkt alle Hunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Adcock
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die wir von unserem Platz aus nicht sehen konnten.
    Ihre Mädchenzeit hatte sie bestimmt schon deutlich hinter sich gelassen und war sicher so was, was meine Mutter früher immer eine irische Landpomeranze mit dem Grollen Gooottes in der Stimme nannte.
    »Ich will mit der Verkommenheit der Gosse nichts zu tun haben!« brüllte die Frau.
    »Ich sage Ihnen, Köchin, Sie bringen diese Reisetaschen nach oben in das rote Zimmer!« bellte Snoody, wobei seine gerollten R leise in der Eingangsdiele nachhallten. »Und ich rate Ihnen, machen Sie lieber verdammt schnell damit!«
    Ruby und ich saßen mucksmäuschenstill auf unseren Couchs und waren verlegen-amüsiert.
    »Moira Catherine Bernadette Booley kann sonntags nicht Gooottes Herrlichkeit lobpreisen und sich dann umdrehen, um montags dem Satan zu dienen! Nae, ich lasse mich nicht in ein gottloses Wesen verwandeln, nicht mal, wenn Sie so schrecklich den Namen Gooottes beschmutzen! Eher können Sie mir kochenden Teer über den Kopf schütten!«
    »Was immer Ihr Mieder zum Knistern bringt, Köchin, altes Mädchen!« Diese überraschend vulgäre Ausdrucksweise von Snoody bewirkte, daß Moira, die Köchin, laut nach Luft schnappte. Um klipp und klar verstanden zu werden, fügte Snoody hinzu: »Wenn Sie Teer haben wollen, dann bekommen Sie auch Teer!«
    »Jesses, Maria und Josef - Gooott, erbarme dich deines gestrauchelten Dieners!«
    Dann folgte das Geräusch von - was? Rädern? Und Onkel Liams Stimme, bösartiger, als ich sie in Erinnerung hatte: »Was soll das Gejaule hier?«
    »Mr. Liam, er will, daß die beiden da drin Unzucht treiben«, beschwerte sich Moira. Ich vermutete, daß sie mit »die beiden« Ruby und mich meinte.
    »Herr im Himmel, Patrick, du wirst doch nicht wieder das reine und christliche Zartgefühl unserer Köchin beleidigt haben?« fragte Liam.
    Erneut hörte ich Snoodys überhebliches Schnauben.
    Moira legte los. »Aye, er lästert Gooott! Und bedroht dazu auch noch ein reines Kind Gooottes.«
    »Meine liebe Moira«, antwortete Liam, »bei all dem Leid und der Fäulnis in diesem Jammertal - ich bitte Sie! Was ist mit den Sünden gelegentlichen Fluchens, der lärmenden Trunksucht eines alten Knaben oder sogar dem unkeuschen Herumspielen an den Kronjuwelen? Würden Sie bitte klugerweise einräumen, daß dies alles Kleinigkeiten sind?«
    »Bringen Sie jetzt das Gepäck nach oben«, sagte Snoody ruhig.
    Moira appellierte ein letztes Mal an Liam: »Haben Sie schon einen Blick auf sie geworfen, Sir? Die sieht aus wie der Golliwogg persönlich, jawohl. Das Vermischen von Blut ist gegen Gooottes heilige Gebote!«
    »Mir waren Gottes Kinder schon immer lieber als seine Prinzipien«, erwiderte Liam.
    Moira schnappte nach Luft.
    »Nehmen Sie die Taschen, Köchin«, sagte Snoody. Liam fügte hinzu: »Sie könnten ruhig tun, was er sagt, meine liebe Moira Catherine. Anschließend nehmen Sie sich eine Stunde Zeit und beten mächtig für unsere ruchlosen Seelen.«
    Darauf folgte viel Geschnaufe und Snoodys nasales Lachen. Dann stapfende Schritte auf der Treppe und das Poltern von Gepäck, das nach oben gewuchtet wurde, Stufe für Stufe. Snoody verschwand nach irgendwo. Wieder das Geräusch von Rädern. Und Onkel Liam kam in den Salon.
    Er war während der letzten zwanzig Jahre ein wenig geschrumpft, und seine Haut war fleckig geworden. Dann war da noch der Rollstuhl.
    Ich habe schon kranke, alte Menschen gesehen, die sich in ihre Rollstühle schmiegen wie Säuglinge in Wiegen. Nicht so Onkel Liam. Über seinen Knien lag eine kleine Decke, um die zur Untätigkeit verdammten Beine zu wärmen und das Blut zirkulieren Zu lassen, aber das war auch schon sein einziges Zugeständnis an die Unbeweglichkeit. Ansonsten hatte er sich dem Ding nicht ergeben. Sein Rücken war immer noch trotzig gerade, die Schultern energisch gereckt, der Bauch eingezogen. Aus einiger Entfernung wirkte Liam Hockaday selbst im Rollstuhl, als sei er absolut in der Lage, jederzeit Hut, Mantel und Stock zu nehmen und zu einem flotten Spaziergang runter zum Parnell Square aufzubrechen. Arme und Ellbogen bewegten sich ungestüm, als er sich zu uns herüber rollte, gerade so als sei ihm die Vollführung äußerst zuwider.
    Aus der Nähe betrachtet, waren die Verwüstungen der Zeit in seinem Gesicht nicht zu übersehen. Andererseits sah er kaum wie jemand aus, der auf der Schwelle des Todes stand, wie Snoody es hatte erscheinen lassen. Seine braunen Augen waren so intelligent und scharf wie seine Zunge.

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