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Ertränkt alle Hunde

Ertränkt alle Hunde

Titel: Ertränkt alle Hunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Adcock
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bat mich nachzuschenken, und ich holte die Flasche. Er zwinkerte Ruby zu und gab mir einen onkelhaften Rat: »Verlier deine Liebste, Neil, und du bist genauso ein verdammter Narr wie ich. Ich habe selbst einen Schatz verloren, vor langer Zeit. Jetzt weißt du, was ich wirklich in meinem Leben bereue.« Er trank einen Schluck von dem zweiten Glas Sherry. »Sag mir, womit du deine Bonny halten willst?«
    »Nur zu, redet ruhig über mich, Gentlemen«, sagte Ruby. »Ich bin gar nicht hier.«
    »Sie will damit sagen, Onkel, daß wir hier sind, weil wir deinen Segen wollen«, sagte ich. Wie gefährlich nahe ich an einen echten Heiratsantrag kam, dachte ich. Ruby warf mir einen schrägen Blick zu, der verriet, daß sie das gleiche dachte.
    »Wie altmodisch, wie herzerfrischend. Hiermit hast du meinen Segen, Neil. Ich habe mich auf den ersten Blick in deine Ruby verliebt.«
    »Aber das ist nicht alles, weswegen wir hier sind.«
    »Ach?«
    »Er will damit sagen«, erklärte Ruby, »daß er auch gekommen ist, um all seine leeren Stellen zu füllen.«
    »Ich kann nicht ganz folgen, Bonny«, sagte Liam. Ein winziges Beben lag in seinen Worten. Er drehte sich zu mir und sah mich an.
    »Ich befinde mich im Sog der Erinnerung«, sagte ich.

    ... Und das war ich tatsächlich, erinnerte mich an jenen Tag, an dem ich Ruby zum ersten Mal erzählte, daß ich mein Leben lang von meinem Vater träumte, daß Träume und ein einziges Foto alles waren, was ich von ihm besaß, daß meine Mutter alles andere, was ich vielleicht über diesen Mann hätte erfahren können, mit in ihr Grab genommen hatte. Und wie Ruby mich dann ruhig angestarrt und gesagt hatte: »Tut mir leid, Hock, das war nicht richtig von deiner Mutter.« Und hatte ich mir selbst nicht insgeheim genau das gleiche gesagt?
    Außerdem sagte Ruby an diesem Tag: »Dein Vater hätte niemals so sterben dürfen, ohne daß dir jemand eine Erinnerung an ihn mitgab. Niemand kann ohne Erinnerungen leben...«
    Liam beäugte mich mißtrauisch, was auch sein gutes Recht war. Ich wollte ihm alles erzählen, genau in diesem Augenblick: von dem Soldatenfoto meines Vaters, dem rätselhaften Gedicht, von Father Tims Selbstmord und auch von Davy Mogaill. Ich wollte meinem Onkel hundert Fragen über ihn selbst stellen, angefangen mit seinem schönen Haus in der Ladbroke Street. Und wenn er nicht schnell genug antwortete, würde ich die Wahrheit aus ihm herausschütteln.
    Aber Liams fröhliche Maske war verblaßt, und mit ihr seine Kraft. Es war nicht fair, ihn jetzt weiter mit Fragen zu bombardieren.
    Es gefiel mir nun mal nicht, genauso wie der Rollstuhl Liam nicht gefiel. Waren wir beide Geiseln? Liam die Geisel seines Stuhls, ich die Geisel der stillen Wahrheit meines Vaters?
    Ich brachte nur heraus: »Ich habe von ihm geträumt, mehr als je zuvor.«
    »Von wem?«
    »Von meinem Vater, deinem Bruder.«
    »Wir haben noch viel Zeit«, sagte Liam und hob sich mit seinen alten Armen ein paar Zentimeter aus dem Rollstuhl. Ein Bein zuckte krampfartig. Mit der Faust schlug er darauf ein, dann zog er die Decke auf seinem Schoß höher zu seiner Taille. Diese Anstrengungen ermüdeten ihn. »Wir werden über Aidan sprechen, zur gegebenen Zeit...«
    »Und auch über Mairead, seine Mutter?« fragte Ruby.
    Mit schmerzerfülltem Gesicht sagte Liam: »Ja, und auch über Mairead...«
    »Ist mit dir alles in Ordnung, Onkel?« fragte ich.
    »Ich mache jeden Tag um diese Zeit mein Nickerchen, das ist alles. Und warum ruht ihr zwei euch jetzt nicht auch aus? Das rote Zimmer ist im zweiten Stock, links von der Treppe. Moira ist zweifellos gerade damit beschäftigt, euer sündiges Bett zu machen.«
    Ruby und ich standen auf. Ich trat hinter Liams Rollstuhl und nahm die Handgriffe. »Sag mir, wohin du möchtest, Onkel.«
    »Geht nur, ihr zwei«, antwortete er. »Patrick wird mich schon finden.«
    Als wir zur Diele gingen, erinnerte ich mich wieder an das Telefon auf dem Schreibtisch mit dieser italienischen Skizze aus dem achtzehnten Jahrhundert, die bei deutschen Adligen so ein großer Hit war. Ich drehte mich um und fragte: »Darf ich mal telefonieren?«
    Liam winkte ungeduldig. »Ja - sicher, sicher.«
    »Ich bin für duschen und anschließend ein schönes, langes Schläfchen«, sagte Ruby in der Eingangshalle.
    »Dann geh schon mal vor«, erwiderte ich.
    »Du kommst doch gleich nach, oder?«
    »Wenn’s länger dauert, kommst du mich einfach holen.«
    »Was soll das heißen?«
    »Das soll heißen, ich hab ein

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