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Ertränkt alle Hunde

Ertränkt alle Hunde

Titel: Ertränkt alle Hunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Adcock
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Offensichtlich achtete er sehr auf ein gepflegtes Äußeres. Er hatte die gesunde Gesichtsfarbe eines Mannes, der immer noch Wein genoß und jeden Tag an die frische Luft ging.
    Wahrscheinlich las er in meinem Gesicht eine Flut besorgter Fragen bezüglich seiner Gesundheit und seines Vermögens. Und vielleicht war dies dann auch der Grund, warum Liam mit Ruby und mir zu reden begann, als würden wir lediglich den Faden dort wieder aufnehmen, wo wir das Gespräch heute morgen oder bestenfalls gestern unterbrochen hatten. »Das ganze tosende Gequatsche tut mir leid«, sagte er und brachte den Rollstuhl genau zwischen uns zum Stehen.
    Ruby und ich standen auf. Liam zwinkerte mir zu, dann hob er die Arme, um Ruby so gut es ging zu drücken. Sie beugte sich vor und küßte seine Wangen. »Meine hübsche Ruby Flagg, Sie sind wunderschön, und wenn ich heute abend allein in meinem Bett liege, werde ich darum weinen, ein Mann zu sein, der viel zu früh geboren wurde, um Ihnen anständig den Hof machen zu können.«
    »Oh...«, sagte Ruby. Ich habe Ruby nie für den dahinschmelzenden Typ gehalten, aber genau das passierte jetzt.
    »Ich weiß nicht mehr über Sie als nur Ihren Namen, aber wir werden uns Stück für Stück besser kennenlernen«, sagte Liam. Er gab ihr einen Handkuß. »Herzlich willkommen in Irland.«
    »Oh...!«
    Ich ging zu Liam, nahm ihn in die Arme und küßte seine rauhen Wangen. »Wie geht’s dir, Onkel?«
    »Ich erleide die üblichen Demütigungen eines Mannes, der sieben Jahrzehnte auf dieser Welt wandelt«, sagte Liam. Er las Mitleid in meinem Gesicht. Alte Leute in Rollstühlen haben ein Recht, solche Mienen nicht ausstehen zu können. »Zum Beispiel diesen Apparat hier statt meiner Beine«, sagte er schniefend. »Dann ist da noch eine wirklich beeindruckende Verstopfung. Solche Knoten in meinem Gedärm muß ich ertragen! Außerdem kriege ich einen steifen Hals, wenn ich noch lange zu euch beiden aufschauen muß. Ewig könnte ich so fortfahren. Aber dann würdet ihr mich hier sitzenlassen. Also, setzt euch wieder.«
    Wir gehorchten.
    »Wie ich sehe«, fuhr Liam fort, »hast du dir schon einen Whiskey eingeschenkt, Neil. Ist für mich leider zuviel Alkohol drin. Bist du so freundlich und holst mir einen Sherry?« Er wendete sich zu Ruby. »Und wie steht’s mit Ihnen, Bonny?«
    »Ja, für mich bitte auch einen Sherry«, sagte Ruby. »Ich trinke gern ein Gläschen mit einem charmanten Mann, ganz besonders in einer so charmanten Umgebung.«
    Ich schenkte ein.
    »So. Zuerst mal möchte ich euch bitten, nicht zu sehr auf die beiden Streithähne in diesem Hause zu achten«, sagte Liam, nachdem er einen kleinen Schluck gekostet hatte. »Moira ist ein bißchen bigott und eine kolossale Nervensäge. Zum Ausgleich hat Gott ihr die wunderbare Gabe der Kochkunst geschenkt. Eine solche Frau findet man selten in diesem Land der Kartoffeln und des stundenlang gekochten Fleischs, wie ihr schon bald zu schätzen lernen werdet. Der alte Patrick ist ein aus dem Amt verstoßener Priester, daher ist er natürlich einen Hauch verbittert und kommt sich ein wenig überlegen vor. Seit zehn Jahren ist er nun mein Freund und Kamerad, und ich habe gelernt, ihm seine Gluckenhaftigkeit zu verzeihen.«
    Ich warf Ruby einen kurzen Blick zu und fragte Liam: »Snoody war Priester? Was hat er angestellt, daß man ihn rausgeschmissen hat?«
    »Das ist schon lange, lange her«, sagte Liam und lachte leise. »Snoody war damals erheblich jünger als du heute, Neil. Er war Idealist und glaubte, daß der Mensch zu vervollkommnen sei und ähnliches dummes Zeug. Was man vielleicht toleriert hätte, wäre da nicht eine unglückselige Angewohnheit gewesen.«
    »Was denn?« wollte Ruby wissen.
    »Er neigte dazu, starke Worte zu benutzen, die seine Vorgesetzten nicht vergessen konnten«, sagte Liam. »Das ist immer unklug. Ich vermute, ihr möchtet wahrscheinlich wissen, was genau er gesagt hat, das ihm den Rausschmiß bescherte?«
    »Ja«, sagte Ruby.
    »Ja!« sagte ich.
    Liam trank einen weiteren kleinen, gemächlichen Schluck. Ich spürte einen Nadelstich der Erinnerung: Stundenlang saß Onkel Liam mit meiner Mutter und Father Tim und den Nachbarn in unserem Wohnzimmer in Hell’s Kitchen und erzählte wilde und komische Geschichten von der anderen Seite. Und ich ahnte keine Sekunde, daß diese Geschichten aus dem Haus eines Mannes kamen, der nicht nur reich an Phantasie war. Und jetzt saßen wir hier in dieser feudalen Umgebung an der

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