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Ertränkt alle Hunde

Ertränkt alle Hunde

Titel: Ertränkt alle Hunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Adcock
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Ladbroke Street.
    »Der Herr allein weiß, wie Priester auf solche Ideen kommen. Unser junger Freund Father Patrick Snoody jedenfalls setzte es sich in den Kopf, daß die Kirche bestrebt sein sollte, eine leuchtende Streitmacht für das Gute und das Licht in der Welt zu sein«, sagte Liam. »Der arme Snoody, er mußte sehr schnell herausfinden, daß die Kirche sich auf seiner Mission nicht bewährte, und das machte den Burschen fassungslos. Also wurde er zu einem scharfen Kritiker des Klerus, war sprachlos, als er überdies entdecken mußte, daß die Kirche auch nur eine Gesellschaft mit der normalen Bevölkerung, bestehend aus Betrügern, Schurken, kleinen Lichtern und salbungsvollen Scheinheiligen, ist. Einmal hat er einem besonders widerlichen Monsignore tatsächlich einen Brief geschrieben, in dem er eine Zeile von Swift benutzte: »Wir besitzen gerade genug Glauben, um uns zu hassen, aber nicht genug, um einander zu lieben...«<
    Liam unterbrach sich, trank einen Schluck und fragte dann: »Übrigens, habt ihr eine Zichte?«
    »Du meinst eine Zigarette?« fragte ich nach einem Augenblick der Verwirrung.
    »Aye, genau das.«
    »Tut mir leid, nein. Wenn ich rauche, dann die Zigaretten von jemand anderem.«
    »Tja, das ist auch eine Möglichkeit, die Krankheitsrisiken zu verringern«, sagte Liam. »Patrick und Moira sind gar nicht so verschieden, wie es vielleicht aussieht, was aber gerade deshalb zu vielen Kämpfen führt. Zum Beispiel raucht keiner von denen. Die lassen mich auch nicht in die Nähe von eigenen Zichten.«
    »Ihnen liegt sicher nur Ihre Gesundheit am Herzen«, meinte Ruby.
    »Und zwar übertrieben«, sagte ich. »Snoody hat geschrieben, daß du im Sterben liegst.«
    »Hat er das? Im Sterben!« Liam löste die Bremse des Rollstuhls und drehte sich um, damit er in die Diele sehen konnte. Er drehte sich wieder zu uns und sagte: »Die Glucke hat Angst, daß ich mich nach meinem amerikanischen Neffen und schönen amerikanischen Frauen sehne. Recht hat er. Guter Bursche, er hat euch beide hergeholt.«
    »Nicht ohne Tragödie, Onkel«, sagte ich.
    »Du sprichst von dem verstorbenen Francie Boylan?«
    »Du weißt davon?«
    »Aye. Er war ein anständiger Bursche, aber ein Idealist mit idealistischen Freunden, die viel zuviel Zeit damit verbringen, über die Unruhen zu reden.«
    »Die Unruhen -?«
    »Wir Iren sind stets vornehm in Diskussionen über den Guerillakrieg oben in Ulster, womit wir die IRA-Mörder gegen die Tommy-Mörder meinen«, erklärte Liam. »Was jedenfalls den armen Francie Boylan betrifft, loyaler Soldat einer uralten Sache, möge er ein Jahr tot sein, bevor der Teufel davon erfährt.«
    »Darf ich eine offene Frage stellen?« sagte Ruby.
    »Das machen Amerikaner doch meistens. Fragen Sie trotzdem, und ich werde Ihnen eine ehrliche Antwort geben, Bonny. Bestehlen würde ich Sie, aber niemals würde ich lügen.«
    »Wie kommt es, daß Sie das alles überhaupt nicht aufregt? Weder Sie noch Snoody?«
    »Wir sind nicht so demonstrativ wie ihr Amerikaner.«
    »Aber Ihr Neffe und ich hätten genauso enden können wir Francie Boylan, erschossen von maskierten Gangstern auf der O’Connell Street. Und Sie springen nicht im Karree?« Ruby riß die Hände vor den Mund. »Oh - oh, tut mir leid.«
    Liam lächelte. »Ich hatte meinen Teil der Rumspringerei, und sehen Sie nur, was mir das eingebracht hat«, sagte er und klopfte auf den verchromten Stahlring an den Rädern seines Rollstuhls.
    »Tut mir leid«, wiederholte Ruby und verrenkte sich auf der Couch in eine Haltung, die aussah, als müßte es weh tun.
    Vielleicht hätte sie Liam noch weiter bedrängt, wie ich es auch selbst getan hätte. Aber Ruby und ich waren der Herausforderung nicht gewachsen. Nach dem langen Flug und der Schießerei waren wir benommen und hundemüde.
    »Vergessen Sie das. Ich bin nur ein alter Kauz, der schon lange genug gelebt hat, um zu wissen, daß ein gewaltsamer Tod zwar unerfreulich, aber auch nichts Einmaliges ist. Einmalig allerdings ist hin und wieder ein angenehmer Augenblick. In den wenigen Jahren, die Gott mir noch gelassen hat, widme ich mich der Pflege der Heiterkeit. Ich befehle allen Unerfreulichkeiten, egal wie nahe sie mir gehen, aus meinem Kopf zu verschwinden. Sie haben also völlig recht, Miss Ruby, ich bin ein forsch-fröhlicher alter Bock. Das ist eine Form des Egoismus, typisch für uns Alte. Eng verwandt mit fröhlichem Pfeifen auf einem Friedhof, verstehen Sie.«
    Liam trank seinen Sherry aus. Er

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