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Ertränkt alle Hunde

Ertränkt alle Hunde

Titel: Ertränkt alle Hunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Adcock
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und aufgeräumt, als sollte es jeden Augenblick fotografiert werden. Daß es sich um zwei stattliche Räume handelte, erkannte ich an den Simsen und Friesen und Gipsrosetten unter den Decken, ganz zu schweigen von den unzähligen, goldgerahmten Gemälden mit kleinen Lämpchen darüber. Außerdem gab es genug Marmor und Onyx, um ein nettes Mausoleum auszustatten.
    Wir stellten unser Gepäck vor einem Schreibtisch mit einem Telefon und einem Stapel Post darauf ab. Direkt daneben befand sich eine Garderobe für Mäntel, Hüte und Schirme. Auf dem Schreibtisch stand eine Skizze in einem filigranen Goldrahmen. »Hock, sieh dir das an«, sagte Ruby. Nicht sonderlich intelligent erwiderte ich: »Echt alt, was?«
    »Das ist es in der Tat«, sagte Snoody. Er stand dicht hinter uns, dicht genug jedenfalls, daß ich seinen Atem auf meinem Nacken spürte. Wie große, schwere Männer seines Schlages sich so schnell und lautlos bewegen können, ist polternden Typen wie mir ein stetes Rätsel. »Es ist eine Kreidezeichnung von Giovanni Battista Tiepolo, etwa 1750«, sagte Snoody. »Es heißt Studie des Kopfes von Tiepolos Sohn Lorenzo. Ziemlich berühmt. Es ist der Entwurf für ein Fresco im Palast des Fürstbischofs von Würzburg.«
    »Und hier steht es nun im Haus meines Onkels«, sagte ich und drehte mich zu Snoody um. »Es ist doch das Haus meines Onkels, oder?«
    Snoody lachte durch die Nase. »Sie sind am richtigen Ort, Mr. Hockaday.« Er warf einen Blick auf unser Gepäck. »Nun, da Mr. Boylan nicht mehr unter uns weilt«, meinte er lässig, als hätte Francie Boylan lediglich seinen Job beim Hauspersonal gekündigt, »werde ich dafür sorgen, daß die Köchin Ihre Sachen nach oben bringt. Wünschen Sie, äh... getrennte Zimmer?«
    »Ich wünsche mit Ihnen über Francie zu sprechen«, sagte ich, »aber vorher möchte ich meinen Onkel sehen. Wo ist er?«
    »Ein Zimmer, ein Bett«, sagte Ruby.
    »Wenn Sie bitte hier Platz nehmen würden«, sagte Snoody und deutete auf den Salon, der nur darauf wartete, ein Titelbild zu werden. »Die Köchin wird Ihr Zimmer richten. Ich hole unterdessen Liam. Whiskey und Sherry finden Sie auf dem Tisch neben der Feuerstelle. Sollten Sie Tee bevorzugen -«
    »Nein, der Stoff ist schon okay«, sagte ich. Snoody schenkte mir ein verdrießliches Lächeln, das beinahe so säuerlich war wie das von Ruby. Dann stolzierte er den Korridor hinunter.
    »Er mag mich nicht, stimmt’s?« sagte ich zu Ruby, als wir den Salon betraten.
    Ich marschierte schnurstracks zu den Erfrischungen am Kamin oder der Feuerstelle , wie Snoody es nannte. Ruby ließ sich auf die Kissen einer zierlichen, grün und pfirsichfarbenen Damastcouch sinken, die schräg vom Kamin in den Raum ragte und auf einem hellblau und cremefarbenen Orientteppich stand. Sie sah aus, als könnte sie dort auf der Stelle einschlafen.
    »Nicht so besonders«, antwortete Ruby. »Manchmal sehe ich das genauso. Jetzt zum Beispiel.«
    »Ich bin ja schließlich nicht im Dienst, verstehst du.« Ich nahm die Kristallkaraffe und zwei Gläser, die ich Ruby fragend zeigte.
    »Bei dieser Runde trinkst du allein«, sagte sie. Ich schenkte mir einen Whiskey ein.
    An der Wand über dem Tisch mit Alkoholika bemerkte ich eine weitere Skizze des Kopfes eines anderen Burschen in einem weiteren protzigen Rahmen, an dem eine winzige goldene Plakette befestigt war. Ich las laut vor: »Porträt eines jungen Mannes, Annibale Caracci, 1591.«
    Ich nahm gegenüber Ruby auf dem Gegenstück zu ihrer Couch Platz, nippte an dem weichen, goldbraunen Single-Malt-Whiskey von einer Sorte, wie ich sie noch nie gekostet hatte, und stellte das Glas dann auf den niedrigen Tisch zwischen uns. »Diese tuntige Kunst, ich weiß nicht«, sagte ich. »Was meinst du, vielleicht sind der alte Patrick und Liam ja zwei Ballerinen?«
    Ruby sah mich an, als hätte ich sie nicht mehr alle. »Ich glaube, du kannst manchmal ein unglaublicher Banause sein, Hock.«
    »Tjaaa... Onkel war sein Leben lang Junggeselle. Ich mache jede Wette, bei Snoody ist’s nicht anders.«
    »Willst du’s drauf anlegen, auch einer zu werden?«
    »Ich denke nur laut.«
    »Es gibt denken, und es gibt schwätzen. Nur eins davon macht man mit dem Mund.«
    »Ich versuche nur dahinterzukommen, was hier verborgen wird —«
    Aus der Diele hereindringender Lärm unterbrach mich. Urplötzlich brüllten dort draußen zwei Leute so laut wie zwölf. Ich erkannte Snoodys patrizische Stimme, während die andere einer Frau gehörte,

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