Ertränkt alle Hunde
komisches Gefühl.«
»Ja«, sagte Ruby.
»Geh.«
Ruby stieg die Treppe hinauf. Ich wählte die Nummer der internationalen Vermittlung und nannte die Privatnummer von Inspector Neglio in seinem Büro in der One Police Plaza. Während ich auf die Verbindung wartete, hörte ich Schritte im hinteren Teil der Halle.
Ich schaute auf. Und sah nur einen Schatten.
»Hock -?« Neglios Stimme war so klar und deutlich, als befände er sich im Nebenzimmer.
»Ja... was gibt’s Neues von Mogaill?«
»Schlechte Nachrichten.«
15
Meine gegenwärtige Tätigkeit war nicht meine erste Berufswahl.
Vor vielen Jahren, als das City College noch keine Studiengebühren kostete, als Politiker noch nicht gelernt hatten, daß sie Stimmen gewinnen konnten, indem sie die Armen ausraubten, und als ich dort Publizistik studierte und mir die größte Mühe gab, um den Wehrdienst herumzukommen, sah ich mich als Zeitungsjournalisten. Damals war ich verrückt nach einem ungarischen Mädchen, das als Kellnerin in dem schlichten Restaurant ihres Vaters auf der Convent Avenue arbeitete.
Stundenlang saß ich dort in diesem tristen, schäbigen Freßlokal vor Kaffee und Gulasch und erzählte Magda, daß ich davon träume, Reporter zu werden. »Es ist so was wie eine Berufung«, sagte ich tatsächlich. Ich muß zugeben, daß das Erregung in Magdas Gesicht zauberte, die mich anmachte. »Ich fühle mich berufen, mein Geld damit zu verdienen, die große Wahrheit zu schreiben!«
Eines Tages bekam ihr alter Herr das mit. Er kam an den Tisch herüber, an dem ich mit meinem Gulasch saß und wo seine Tochter glücklich um mich herumschwirrte. Er war groß und kräftig und so kalt wie ein Kelvinator, und er hatte mich noch nie gemocht. Er bemerkte die rosige Tönung auf Magdas Hals und Gesicht, und auch das gefiel ihm nicht. Der alte Mann wußte genau, was er dagegen unternehmen mußte.
»Was wirst du schreiben?« wollte er von mir wissen.
Wieder proklamierte ich meine Berufung.
»Wozu willst du die Wahrheit schreiben?«
»Die Menschen brauchen die Wahrheit.«
»Ja, vielleicht, aber die Menschen wollen sie nicht.«
»Himmel, ich weiß nicht -«
»Schreib nicht die Wahrheit, Junge. Du wirst in der Gosse sterben. Das ist die Wahrheit.«
Es war, als hätte mir jemand die Luft abgelassen. Magda war auch nicht mehr so verträumt, was mich betraf, und nach einer Weile bin ich nicht mehr hingegangen. Und so bin ich nicht Journalist, dafür aber trauriger und weiser geworden. Gleichzeitig bemerkte ich, daß die Zeitungen nur trauriger wurden.
Manchmal glaube ich, heute würde ich einen tollen Journalisten abgeben, wenn ich nicht so damit beschäftigt wäre, Cop zu sein. Was schon in Ordnung ist, denn ich kann mir kaum vorstellen, daß mich irgendeine Zeitung tatsächlich nehmen würde.
Manchmal sehe ich mich in so was wie dem Remake einer Nachrichtenredaktion, einer wie in den alten Schwarzweißfilmen im Nachtprogramm des Fernsehens. Ich habe die Füße auf den Schreibtisch hochgelegt. Ich döse vor mich hin.
Eine Meldung kommt rein! Irgendein Bursche hat gerade seine Frau erstochen, mit der er fünfundzwanzig Jahre verheiratet war und die ihm das japanische Küchenmesser zum letzten Hochzeitstag geschenkt hatte. Ein blutiges Gemetzel hat er veranstaltet. Die Nachbarn sind fassungslos, denn der Bursche und seine Missus waren doch so ein reizendes Paar, und sie sind auch jeden Sonntag in die Kirche gegangen und all das.
Die Damen und Herren von der Presse überschlagen sich förmlich, zu dem Haus zu gelangen, denn so was ist ein todsicherer Auflagensteigerer. Die Schaufensterpuppen vom Fernsehen sind auch schon da, glotzen in Kameras und erzählen den Zuschauern, sie seien »live« am Tatort des Verbrechens. »Live« wie das Gegenteil von »dead«?
Und während dann all die anderen Reporter ihre Notizbücher mit den Fakten der Sache vollkritzeln, stehe ich allein in einer Ecke und zerbreche mir den Kopf über einen Burschen, der vor fünfundzwanzig Jahren eine Frau einmal so sehr liebte, daß er sie geheiratet hatte, und dann, eines schrecklichen Tages, haßte er sie so sehr, daß er auf dem Küchenlinoleum Gulasch aus ihr machte.
So wie ich es sehe, ist diese großartige Mordgeschichte überhaupt keine Geschichte. Die wirkliche Geschichte ist, was während dieser fünfundzwanzig Jahre geschah, die diese zwei Menschen zusammen ein reizendes Paar waren. Das würde die große Wahrheit sein. Die Wahrheit, die ganze Wahrheit und nichts als die unschöne
Weitere Kostenlose Bücher