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Ertränkt alle Hunde

Ertränkt alle Hunde

Titel: Ertränkt alle Hunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Adcock
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nach Hause zurückzufliegen, wohin ich gehörte; besonders als Lady Rosenkranz zu Onkel Liam sagte: »Wie Sie wollten, habe ich Ihnen den sündigen Neffen gebracht.«
    »Danke, Moira, und Gott segne dich«, sagte Liam, der mit dem Rücken zu uns in seinem Rollstuhl neben dem offenen Kamin saß. »Du kannst jetzt wieder in deine Küche gehen.« Moira warf mir noch einen angewiderten letzten Blick zu und rauschte von dannen. Liam drehte sich um. »Komm jetzt zu mir, Neil.«
    Ich durchquerte den Raum, der schon sehr lange weder geputzt noch gelüftet worden war und auch die Sonne nicht mehr gesehen hatte. Aus den großen Erkerfenstern hätte man wahrscheinlich einen schönen Ausblick gehabt, doch der war versperrt durch schwere Brokatvorhänge; ich fragte mich, ob in den schmutzigen Falten wohl eine Kolonie Fledermäuse lebte. Vor den Wänden standen hohe, mit Büchern vollgepackte Holzregale, dazwischen hingen an straff gespannten Schnüren Ölporträts ernst dreinschauender irischer Gentlemen mit steifen Kragen und Backenbärten. Dazwischen überall Möbelstücke, die so wirkten, als wären sie über die Jahre hier abgestellt worden. Es war ein heruntergekommener Salon, eine Gruft voller Staub und Schatten und dem säuerlichen Geruch von Mäusen. Und doch saß dort Onkel Liam, der im sanften Licht des Kamins jung und stark genug ausschaute, um mich aus seinem Stuhl anzuspringen.
    Er deutete mit dem Kopf auf den Tisch und sagte: »Mach den Radioapparat lauter.« Ich gehorchte. Er schaute zur dunklen Decke auf, schloß die Augen und flüsterte: »Aaah, der Radioapparat...«
    Das Stan Getz Quartet hatte mit den ersten Takten von »Sipping at Bell’s« begonnen. Liam sagte: »Ich erinnere mich, daß du Jazz liebst, Neil. Um die Wahrheit zu sagen, das ist mir auch die liebste Musik. Hör nur dieses Tenorsaxophon. Ist das nicht viel herrlicher als die Pfeifen und Geigen und Ziehharmonikas und all der unergründliche alte Krempel der irischen Musik? Setz dich und genieße ein Weilchen mit mir die Musik.«
    Ich nahm auf einer verschossenen, braunen Roßhaarcouch gegenüber meinem Onkel Platz. Ich vermutete, Liam wollte, daß ich mich hierhin setzte, denn auf einem Tisch zwischen uns standen eine Karaffe und Gläser. Im Rhythmus der Musik klopfte Liam mit den Handflächen leicht auf die Armlehnen des Stuhls.
    Ich schenkte uns einen Fingerbreit tief dunkelbraunen Whiskey ein und fragte: »Wolltest du mit mir nur über Musik reden?«
    »Ist schon mal ein guter Anfang«, sagte Liam. Er nahm sein Glas und trank, musterte mich von oben bis unten und verglich mich mit seinen Erinnerungen.
    »Vielleicht sollten wir jetzt gleich zum Wesentlichen kommen.«
    »Amerikaner!« schnaubte Liam nachsichtig. »Ihr seid so verflucht ungeduldig, was eine anständige Unterhaltung betrifft. Was für ein merkwürdiger Wesenszug. So ein schönes, junges Land, und doch hat es jeder furchtbar eilig, so schnell wie möglich zum bitteren Ende einer ansonsten netten Plauderei zu gelangen. Als wäret ihr eine Nation alter Männer und alter Frauen, immer in der Angst, daß die Zeit euch davonläuft, bevor ihr alles gesagt habt.«
    »Die Zeit ist gemein, wenn man sie als selbstverständlich ansieht.«
    »Ein Standpunkt, der nur von Ehrgeizigen oder Spöttern gutgeheißen wird.«
    »Apropos Ironie, stell dir nur vor, wie wir zwei Amerikaner die äußerst informative Konversation mit deinem Boylan genossen haben - bis er umgebracht wurde. Stell dir ferner vor, was ich wohl denke, als ich dich in einem Haus wie diesem sehe. Du mußtest dich wirklich richtig unters gemeine Volk mischen, wenn du zu uns armen Verwandten in Hell’s Kitchen gekommen bist, Onkel, stimmt’s?«
    »Ich dachte mir schon, es könnten dir vielleicht gewisse Fragen durch den Kopf gehen.«
    »Da hast du richtig gedacht.«
    »Das mit dem armen Francie Boylan und seiner unerfreulichen Politik habe ich bereits erklärt.«
    »Nicht ganz.«
    »Was nun dich und deine Mutter Mairead betrifft«, sagte Liam und ignorierte die Spöttelei. »Wußtest du, daß ich immer ganz klar gesagt habe, daß die Witwe meines Bruders und ihr kleiner Sohn jederzeit willkommen waren, hier bei mir in diesem Komfort zu leben?«
    »Ich lerne schnell, wie viele Dinge ich immer noch nicht weiß.«
    »Aye, wie deine Bonny sagt, du bist gekommen, um leere Stellen zu füllen.«
    »Hilfst du mir dabei?«
    »Sicher, und was meinst du wohl, warum wir beide jetzt hier Zusammensitzen und gemütlich ein Gläschen

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