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Ertränkt alle Hunde

Ertränkt alle Hunde

Titel: Ertränkt alle Hunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Adcock
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Wenn du es löst, findest du Antworten auf Fragen, die dich bislang gequält haben.
    »Heute nachmittag, als du geschlafen hast und Snoody irgendwo etwas zu erledigen hatte«, sagte ich, »hat Liam Moira hochgeschickt, um dich zu holen. Während der Zeit, die wir allein waren, hat Liam mir ein Rätsel aufgegeben.«
    »Erzähl es mir.«
    »Ein Mann ohne Augen sah Pflaumen auf einem Baum. Weder hat er Pflaumen mitgenommen noch zurückgelassen. Wie war das möglich?«
    »So, jetzt laß mal diesen Brief hören.« Ruby griff nach dem Umschlag.
    Diesmal ließ ich sie gewähren. Sie öffnete ihn und las laut die Worte meines Vaters, die mit blauer Tinte und in einer entschlossenen Handschrift geschrieben waren:

Lieber Bruder Liam,
in Deinem letzten Brief schienst Du skeptisch zu sein, warum ich weiterhin darauf beharre, hier zu bleiben -hier in dieser Stadt der rechten Winkel und Gedanken, der beschädigten Menschen. Obwohl ich kaum daran erinnert werden mußte, hast du dennoch darauf hingewiesen, daß ich mit dem Geld, das ich durch mein Schreiben verdiene, nur selten genug für Lebensmittel habe, und daß ich Verpflichtungen gegenüber Mairead und dem Baby besäße, mit dem sie nun schwanger geht.
Ich habe lange und sehr gründlich überlegt, welche Antwort Dich zufriedenstellen könnte. Ich bin jedoch zu dem Schluß gelangt, daß meine Antwort wahrscheinlich nur mich allein zufriedenzustellen vermag, und daß man auch nicht mehr erwarten kann. Also, hier ist sie:
New York ist eine fabelhafte Dame, die unglaubliche Partys gibt. Man ist niemals eingeladen, weiß aber sehr wohl, daß sie stattfinden, und man weiß auch, ist man erst einmal dabei, dann wird es einfach wunderbar. Jedesmal, wenn man seinen Koffer packt, um die Stadt endgültig zu verlassen, ruft diese Dame an und sagt:
»Hi, ich gebe eine Party, wie Du ja wohl weißt.« Also fängt man an, seine Tasche wieder auszupacken. Dann sagt sie: »Dieses Jahr lade ich Dich noch nicht zur Party ein, aber ich werde an Dich denken. «
Herzliche Grüße, Aidan

    Ruby gab mir den Brief zurück. Ich sah auf die blaue Tinte und dachte an die Verszeilen, die auf die Rückseite von Aidan Hockadays Foto geschrieben waren. Aber irgendwie schien die Handschrift auf diesen beiden Dingen von meinem Vater, dem Brief und dem Foto, nicht übereinzustimmen. Ich faltete den Brief zusammen und steckte ihn in den Umschlag zurück.
    »Onkel Liam hatte recht«, sagte Ruby. »Es ist wunderbar geschrieben. Und es sind wunderbare Gefühle, die er über New York zum Ausdruck bringt. Im Augenblick vermisse ich die Stadt schon sehr.«
    »Ich auch.«
    »Dein Vater hätte in New York Bücher schreiben sollen.«
    »Statt dessen kam der Krieg.«
    »So einfach war das nicht.«
    »Nein. Wir versuchen hier den Krieg innerhalb des Krieges zu finden.«
    »Was heißen soll: die Politik. Komm, gehen wir schlafen.«
    Wir löschten das Licht, zogen unsere Bademäntel aus und glitten unter die Laken. Ruby schmiegte sich an mich und flüsterte: »Ich möchte von New York träumen. Wie steht’s mit dir, Hock?«
    »Ich werde wie ein Detektiv träumen.«
    »Was heißen soll?«
    »Ein guter Detektiv glaubt an den einen Augenblick, an dem er sehen kann, was die Menschen tun, selbst wenn er nicht dabei ist.«

20

    Lieutenant Ellis griff aus dem schmalen Fenster und packte den Betonsims, wobei er sorgfältig darauf achtete, die Hände von frischer Taubenscheiße fernzuhalten. Er beugte sich aus der Hüfte vor und zwängte seine fleischigen Schultern durch den engen Rahmen, schob sich in das graue Licht des Belüftungsschachtes einer Mietskaserne.
    Wie Fliegenschwärme wirbelte grobkörniger Staub im Schacht auf und ab. Dessenungeachtet hängten Mieter, die nicht das Geld für den Waschsalon an der Ecke hatten, ihre Handwäsche auf Leinen hinaus. Sobald jemand ein Fenster öffnete, weil er Wäsche hereinholen oder Müll hinausschmeißen wollte, der einen Gang zu den Abfalleimern auf der Straße nicht lohnte, wirbelte der Staub in kleinen Windkanälen auf.
    »Hier stinkt’s wie in einer beschissenen mexikanischen Kloake«, brummte Ellis und wischte sich mit einem Jackenärmel über die Nase.
    Er beugte sich weiter vor und schaute zehn Stockwerke tief an schmutzigen Ziegelwänden und dreckverkrusteten Fenstern hinab. Unten auf einem drei mal drei Meter großen Flecken, übersät mit zerbrochenem Glas, Unkraut, Spritzen, verwesendem Müll und Ratten, trampelte ein Trupp Cops herum. Die Cops trugen hüfthohe Stiefel,

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