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Ertränkt alle Hunde

Ertränkt alle Hunde

Titel: Ertränkt alle Hunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Adcock
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nicht auf die meinen. Ich fand immer, er klang so sehr wie Daddy, wenn er das Gesicht verzog und sagte, Geld sei doch >nur schmutziges Papier«.
    Jedenfalls, es kam schließlich der Tag, an dem ich London mit Ziel Dublin verließ, um dort meine finanziellen Aktivitäten fortzusetzen, die schließlich unter anderem in diesem Haus resultierten, in dem wir uns aufhalten. Nach meiner Ankunft in Dublin trafen Aidan und ich uns gelegentlich... vielleicht nicht so regelmäßig, wie zwei Brüder es sollten, aber die Zeit und die Trennung hatten einiges zwischen uns verändert, müßt ihr wissen.
    Beide erhielten wir Briefe von Mum, nie von Daddy. Sie berichtete immer, wie schlimm es zwischen ihnen geworden sei, dort unten in diesem Haus, das keiner von uns mehr ein Zuhause nannte. Nur einmal kehrten wir dorthin zurück, wegen des Skandals, der sich zweifellos bis zum heutigen Tag als Klatsch und Tratsch in den Pubs von Carlow gehalten hat... «

    Liam legte eine Kunstpause ein, nicht weniger dramatisch wie jeder Schmierenkomödiant am Abbey Theatre, und wartete darauf, daß entweder Ruby oder ich ihn drängten, doch fortzufahren. Zweifellos hatte Snoody diese Geschichte bereits viele Male gehört, wenn man nach seiner ausdruckslosen Miene ging. Schließlich fragte Ruby ihn ruhig: »Welchen Skandal?«
    »Aye, meine Schöne«, sagte Liam. Er bat mich, ihm die Karaffe zu reichen, füllte seine Tasse dann mit Whiskey und gab einen Schuß Tee dazu. »Zwischen Mum und Daddy herrschte, und ich vermute, wir haben es uns alle schon gedacht, nicht gerade eitel Sonnenschein... «
    »Und das bedeutet -?« fragte ich.
    »Der Postbote wurde schließlich mißtrauisch, als er sah, wie der Briefkasten immer voller wurde und sich in dem alten Haus niemand zu rühren schien«, sagte Liam. »Eines Tages läßt er dann sein Fahrrad oben an der Straße stehen und geht zum Haus hinunter, um mal nachzusehen. Er findet Mum auf dem Küchenboden, übersät mit unzähligen Stichen von dem Messer, mit dem sie immer die Kruste um die Kuchen abgeschält hat. Und Daddy war nicht weit und in keinem besseren Zustand. Er lag zusammengesunken vor seinem Sessel neben dem Herd, hatte sich Blut und Hirn aus dem Kopf geschossen, und die Schußhand umklammerte immer noch die alte Reiterpistole der Familie... «

    Eine ganze Weile hörte ich dann nicht mehr, was Liam weiter sagte. Vielleicht waren es nur ein paar Sekunden, aber zu diesem Zeitpunkt kam es mir sehr lange vor. Mein Kopf schwirrte, und mit irrwitzigem Tempo rasten Bilder vor meinen Augen dahin. Stellte ich mir gerade noch meinen Vater vor, wie er als junger Mann versuchte, ausgerechnet als Schriftsteller Karriere zu machen, stellte ich mir nun meine Großeltern vor, die ich nie kennengelernt hatte, diese beiden erbitterten Streithähne, und den Skandal eines Mordes und Selbstmordes.
    Ich sitze ganz allein in einer Ecke und denke über einen Burschen nach, der vor fünfundzwanzig Jahren eine Frau so sehr liebte, daß er sie geheiratet hatte, und dann, eines schrecklichen Tages, haßte er sie so sehr, daß er sie auf dem Linoleumboden der Küche in Stücke hackte. So wie ich das sehe, ist diese große Mordgeschichte überhaupt keine Geschichte. Die wirkliche Geschichte ist: Was passierte während dieser fünfundzwanzig Jahre... Dort würde die große Wahrheit liegen. Die Wahrheit, die ganze Wahrheit und nichts als die unschöne und komplizierte Wahrheit, so wahr mir Gott helfe.
    Dann tauchte mein Onkel wieder auf, und die Bilder verlangsamten sich. Er und sein Whiskey mit Tee, und wie er bedächtig mit einem Finger auf den vor ihm liegenden Umschlag tippte. Mit dieser schrecklichen Familiensaga fortfuhr und dabei mit jedem Wort, das er jetzt sagte, hundert neue Fragen für später aufwarf.

    »Bevor wir nach Dublin zurückkehrten, blieben Aidan und ich lange genug in dem alten Haus, um die Tiere zu verkaufen und solche Dinge zu erledigen, mit denen wir einen Schlußstrich unter die Leben zweier Menschen zogen, die sich zeit ihres Lebens abgerackert hatten. Es war uns sehr bewußt, daß wir das Geschlecht der Hockadays in Carlow beendeten, eine lange Linie, die jetzt sicher mit weniger als großem Stolz endete. Die Beisetzung, wenn man es überhaupt so nennen konnte, war kurz und bitter.
    Keine Kirche in ganz Carlow war bereit, Daddy auf ihrem Friedhof aufzunehmen, da er ein Mörder und, schlimmer noch, ein Selbstmörder war. Aidan und ich entschieden uns dagegen, unsere beiden Eltern zu trennen, wohl

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