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Ertränkt alle Hunde

Ertränkt alle Hunde

Titel: Ertränkt alle Hunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Adcock
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Ruby und mir. Snoody erhob sich schnell vom Tisch und trat hinter Liams Rollstuhl, war bereit, ihn hinauszuschieben.
    »Bevor wir allerdings für heute Schluß machen, möchte ich dir dies hier noch geben«, sagte Liam und reichte mir den Umschlag: »Dein Vater hat angefangen, mir Briefe zu schreiben, als er schließlich Dublin verließ und nach New York ging. Leider besitze ich nicht mehr viele davon, aber den hier habe ich gefunden, und ich dachte, du solltest ihn bekommen. Wie ich schon sagte, ich hatte es nie sehr mit der literarischen Seite des Lebens. Aber aus seinen Briefen weiß ich, daß Aidan ein wunderbarer, wunderbarer Schreiber war.«

    »Ich weiß ja nicht, wie’s mit dir ist«, sagte Ruby, »aber ich komme mir vor, als hätten wir gerade einen von diesen... ach, wie hat dein Onkel noch gleich einen scheußlichen Sturm genannt?«
    »Bleezer«, sagte ich.
    »Genau das meine ich. Als hätten wir gerade einen fürchterlichen Bleezer hinter uns, einen Sturm, bei dem der Wind so steif bläst, daß der Schneeregen fast waagerecht fällt.«
    Wir waren wieder in dem roten Zimmer im zweiten Stock, bereit für die Nacht, und trugen die Männerschlafanzüge und Bademäntel, die Moira uns mit frischen. Handtücher heraufgebracht hatte. Ruby flitzte geschäftig hin und her, packte unsere Koffer aus und verstaute alles in Kleiderschrank und Kommode. Ich saß auf der Bettkante und hielt den Umschlag immer noch ungeöffnet in Händen.
    »Bleezer... «, wiederholte Ruby nachdenklich. Dann blieb sie vor mir stehen, deutete auf den Brief und sagte: »Und? Willst du ihn irgendwann auch mal lesen?«
    »Ich weiß wirklich nicht, ob ich im Augenblick schon dazu in der Lage bin«, sagte ich. »Bislang habe ich heute, laß mich nachdenken... ich habe erfahren, daß meine Großmutter das Schätzchen von so einem Priester gewesen ist, daß mein versoffener Großvater es ihr heimgezahlt hat - auf Dauer, und daß er sich anschließend selbst das Licht ausgeblasen hat... Vielleicht ist das mehr als genug Familiengeschichte für einen Tag.«
    »Du hast schon Schlimmeres gehört, Detective Hockaday.«
    »Ja, sicher, über die Familien anderer Leute.«
    »Wenn man ins Meer springst, wird man auch naß. Was erwartest du? Sei ein Mann, mach weiter - lies es.« Ruby stürzte sich auf mich und griff nach dem Umschlag. »Soll ich vorlesen -?«
    Ich wich zurück. Lachend plumpste Ruby auf mich. Und ich war dankbar, einen Augenblick von der dunklen Regenwolke meiner Gedanken abgelenkt zu werden; so dankbar, Ruby zu spüren und ihre Brüste zu sehen, braun wie Karamel unter dem weißen Frottee des Bademantels und dem weitgeschnittenen Schlafanzug.
    »Nein!« sagte ich. »Ich werde ihn schon noch lesen... wirklich.«
    »Was hindert dich? Liam hat doch gesagt, es wäre wunderbar geschrieben.«
    »Vertraust du Liam?« Mit dieser Frage überraschte ich mich selbst mindestens so sehr wie Ruby.
    »Das ist mal eine Frage«, sagte sie.
    »Er ist ein unglaublicher Schwätzer. Antworte mir.«
    »Dein Onkel ist Banker, also wissen wir, daß er stehlen würde. Aber lügen...?« Ruby setzte sich kerzengerade im Bett auf und sagte dann: »Natürlich!«
    Sie war jetzt sehr aufgeregt, als hätten sich plötzlich einige ihrer eigenen Wolken verzogen. Sie strich den Bademantel glatt. »Du nennst deinen Onkel einen großen Schwätzer, Hock?«fragte sie. »Nein, er ist ein Bleezer... mit genug Wind, um die Worte seitwärts zu fegen. Kannst du mir folgen?«
    »Also - eigentlich nicht.«
    »Erzählst du mir nicht dauernd, daß jeder halbwegs kompetente Detektiv sich einem Fall immer von der Seite nähern soll?«
    »Worauf willst du hinaus -?«
    »Streng dich an, Sherlock. Dein Onkel läßt heute abend einen kräftigen Sturm los. Wozu? Damit du Mitleid mit dem bedauernswerten Hockaday-Clan bekommst? Nein. Er hat den Sturm nur herbeigeredet, um etwas anderes zu verdecken. Kannst du mir jetzt folgen?«
    Ruby ließ mir einen Moment Zeit, um mitzukommen. Als es soweit war, sagte ich: »Du meinst, er versucht, uns an Snoody vorbei etwas zu sagen?«
    »Ja - natürlich. Wir wissen doch, daß zwischen den beiden irgendwie ein angespanntes Verhältnis herrscht, und wir wissen auch, daß hier etwas Merkwürdiges abgeht. Wir wissen, daß es in diesem Haus ein Geheimnis gibt. Das versucht dir dein Onkel verständlich zu machen, Hock. Indirekt, damit Snoody nichts davon mitbekommt... Also, was meinst du?«
    Ich dachte an Liams Worte, die er vor einiger Zeit zu mir gesagt hatte:

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