Ertränkt alle Hunde
sich wieder eine Stimme: »Lauft! Der Amerikaner hat eine Kanone!« Niemand rührte sich.
»Ich wollte nur meine Dienstmarke rausholen«, sagte ich und zog sie langsam aus der Gesäßtasche, zeigte sie dann Reilly und dem anderen Cop. Beide inspizierten sie sorgfältig. »Falls euch das noch nicht reicht, zufälligerweise war mein Großvater mal Chief der Dublin Garda.«
»Ich weiß von keinem Hockaday, der mal Chief gewesen ist«, knurrte Reilly.
»Sein Name war Lord Gavan Fitzgerald«, sagte ich.
Die beiden Cops wechselten mißmutige Blicke. Die Menge raunte. Die Nonne rückte mir wieder auf den Pelz. »Lassen Sie den Namen Ihrer Mutter hören«, sagte sie.
»Mairead«, antwortete ich.
Irgendwie glättete sich das Gesicht der alten Nonne in ein Meer feiner Fältchen. Sie wollte gerade noch etwas sagen, wurde dann aber von Reilly, dem Cop, zur Seite gestoßen.
»Gavan Fitzgerald war ein Brit«, stieß Reilly auf eine Art aus, als befreie er sich von einem Mundvoll Spülwasser.
Aus der Menge brüllte jemand: »Scheiß auf die Brits!«
Der andere Cop legte mir Handschellen an, mein Handgelenk an seins, und sagte: »Sie kommen mit uns, Fitzgerald.«
»Ich heiße Hockaday !«
Die Nonne trottete neben mir her, als ich durch die höhnisch johlende Menge abgeführt wurde. »Hör mir jetzt ganz genau zu, Junge«, sagte sie. »Man nennt mich Sister Sullivan, und ich kannte deine Mutter gut. Mein Lager ist die North Road rauf, außerhalb der Stadt. Frag irgendeinen tinker , den du triffst, er wird schon wissen, wo. Achte nur drauf, daß du sagst, du bist Mairead Fitzgeralds Junge. Hast du mich verstanden?«
Ich nickte verwirrt.
Die Nonne sagte: »Du wirst uns brauchen. Diese verfluchten Constables, sie-«
Reilly stieß sie fort. »Verpiß dich! Ich hab’s dir doch schon mal gesagt!«
Wieder in dem stickigen Raum mit der üblen Sitzgarnitur, dem Tisch voller Tageszeitungen und Aschenbechern und dünnem, kaltem Tee. Und dem Spionspiegel. Wenn ich aufs Scheißhaus wollte, mußte ein Cop mich begleiten. Genausogut hätte man mich in eine Zelle stecken können.
Ohne Angabe von Gründen hatte man meine Fingerabdrücke genommen und mich fotografiert, mit und ohne Kappe. Man erlaubte mir keinen Telefonanruf, obwohl der diensthabende Sergeant für mich die amerikanische Botschaft verständigte. Drei Stunden lang blieb ich allein und wartete. Dann kam schließlich Gesellschaft. Er war fett und schnaufte, hatte einen gigantischen grauen Schnurrbart voller Krümel. Ich machte mir nicht die Mühe aufzustehen.
»Mr. Hockaday, nehme ich an?« fragte er und kam mit einer Aktentasche hereingewatschelt, die aussah, als hätte sie schon ’44 an der Invasion in der Normandie teilgenommen. »Ich bin Brady.«
»Sind Sie von der Botschaft?« fragte ich.
»Nun, Ihre Botschaft hat mich hergeschickt. Wenn Sie mögen, bin ich Ihr Rechtsbeistand.«
»Sind Sie Anwalt?«
»Solicitor. Hier in Irland heißen wir Solicitor und Barrister.«
»Wie auch immer. Können Sie mich hier rausholen?«
»Kommt drauf an. Was genau haben Sie angestellt, weswegen Sie hier gelandet sind?«
Ich schlug den teebespritzten >Irish Guardian< an der Stelle mit meinem Foto und der Story über den Mord an Francie Booley auf und zeigte es Brady. Er nahm die Zeitung und studierte den Artikel, schüttelte dabei immer wieder den Kopf.
»Das ist mir gestern passiert«, sagte ich. »Heute bin ich von den tinkers ausgeraubt worden. Und jetzt bilden sich eure Cops aus irgendeinem Grund ein, es sei ihre Pflicht, mich hier festzuhalten, nur daß ich absolut keine Ahnung habe, warum.«
»Dann sind Sie also bestohlen worden, nicht wahr?« Brady lachte trocken und setzte sich, knallte seine Aktentasche auf den Tisch und die darauf liegende Zeitung. »Um wieviel?«
»Dreihundert amerikanische Dollar.«
»Das war aber nicht alles, was Sie bei sich hatten, oder?«
»Ich habe noch ein paar Reiseschecks.«
»Gott sei’s gedankt.«
»Wieso danken Sie ihm?«
»Geld regiert Gottes grüne Welt, deshalb, Mr. Hockaday. Wir brauchen doch alle Geld, oder nicht? Sie brauchen es, ich brauche es... Sie verstehen?«
»Ich verstehe was von Anwälten, die sich wie Geier auf Mandanten stürzen.«
»Wie ihr Amerikaner so schön sagt: Zeit ist Geld. Lassen Sie uns keine Zeit verschwenden.«
»Komisch, aber erst heute morgen habe ich mit jemandem gesprochen, der mir erklärt hat, ihr Iren hättet einen anderen Zeitbegriff. Wie sich herausstellt, war er natürlich ein
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