Ertränkt alle Hunde
Gebrauch machten, indem sie so bald wie möglich das Land ihrer Ahnen verließen. Wäre ich nicht ziemlich sicher gewesen, daß mein Name inzwischen an sämtlichen irischen Ausreisestellen aushing, würde ich längst weg sein und diese Weisheit selbst zu schätzen wissen.
Aber da saß ich nun in dem roten Zimmer auf der mit Kissen bestückten Couch vor dem Kamin, behaglich warm in einen Frotteebademantel gehüllt, nach einem langen, heißen Bad, gewärmt von einem doppelten Scotch, einem niedrig brennenden Feuer süßlich duftender Obstholzzweige und einem Armvoll Ruby in schwarzer Seide. Wenn das alles doch nur in der Ruhe und dem Frieden von New York City wäre, wohin ich gehörte.
»Hast du Angst, nicht mehr aufhören zu können, wenn du erst mal angefangen hast zu reden?« fragte Ruby.
»So ungefähr«, sagte ich.
»Es muß aber raus. Andernfalls wirst du in die Luft gehen wie der Mount St. Helen, Hock. Heute morgen hast du das Haus verlassen und bist nach Dublin gefahren, und vor einer Stunde schleppst du dich zurück und siehst aus wie ein zu Schrott gefahrener Zug...«
»Und viel besser fühle ich mich immer noch nicht«, sagte ich.
»Okay, also hol mal tief Luft«, sagte Ruby. »Und dann erzählst du mir, was inzwischen passiert ist.«
»Hattest du schon mal einen Traum, in dem du in der Luft geschwebt bist, über allem, was unter dir passiert?«
»Das haben wir alle schon mal geträumt.«
»Genau so war mein Tag, nur daß ich dabei die Augen weit offen hatte. Ich war dabei, aber ich bin immer höher und höher geschwebt, bis ich nichts mehr glaubte. Wenn ich morgen die Zeitungen sehe, dann weiß ich, daß es wirklich passiert ist.«
»Was ist dieses es... ?«
Das konnte ich Ruby nicht ohne Vorbereitung erzählen.
Also erzählte ich ihr vom Trinity College und dem Studentenjahrbuch von 1935, meinem Streit mit Clooney und O’Dowd, dem Trip ins Ould Plaid Shawl mit Peadar Cavanaugh und Cavanaughs Ermahnung, nach Hause zu gehen. Dann von Oliver Gunston und seinem Computer, von dem Artikel im >Guardian< vom Oktober ’37, durch den ich von dem Lynchmord an meinem Großvater Lord Gavan Fitzgerald erfuhr, sowie von dem Artikel vom Mai ’36 über die Dublin Men’s Society of Letters, der bewies, daß Cavanaugh ein Lügner war. Dann von mir, einem von der Straße geschulten Cop aus New York, der sich von einer Bande Taschendiebe, verkleidet als Dubliner Schulmädchen, hatte ausnehmen lassen. Und von »Sister Sullivan« und der Einladung in ihr Zigeunerlager. Und davon, wie ich wieder mal zur Dublin Garda abgeführt wurde...
»Hör auf, mir wird ja ganz schwindlig«, sagte Ruby. Ich schwieg, und sie drückte beide Hände an ihren Kopf. »Du hattest einen Großvater, der em Cop war - der gelyncht worden ist? Du bist von kleinen Mädchen überfallen worden - und dann verhaftet ? Sie haben die Botschaft verständigt -?«
»Du hättest das Prachtexemplar sehen sollen, das sie geschickt haben, um mir zu helfen«, sagte ich. »Dieser Winkeladvokat namens Brady. Er sieht aus wie W.C. Fields in Nadelstreifen.«
»Dann bist du also jetzt auf Kaution draußen - oder was? Ich verstehe nicht ganz.«
»Ich auch nicht. Brady geht und läßt mich eine halbe Stunde in der Luft hängen, dann kommt er zurück und sagt, wir hätten Erlaubnis, mit Chief Keegan zu sprechen, der, wie es der Zufall will, eine Nachricht für mich hat. Von Neglio, nehme ich an. Du erinnerst dich an Keegan...«
»Wie könnte ich den vergessen?« sagte Ruby. »Ein kräftiger Bursche in einem großen Büro, und er hat nach Pimentöl und Lanolin gerochen.«
»Dann waren da noch diese guten, kubanischen Zigarren.«
»Mir hat gefallen, wie er gerochen hat, aber alles andere an ihm hat mich gestört. Überhaupt nicht gefallen hat mir, wie er
die Neuigkeit über Father Tim fallenließ, oder die spitze Art, wie er dich wegen deinem Vater in die Mangel genommen hat...«
»Er wird uns nicht weiter nerven.«
»Wieso?«
Das konnte ich ihr jetzt erzählen.
Unmittelbar bevor im Präsidium der Dublin Garda die Hölle losbrach, sah ich mich in Begleitung von Brady und dem Constable hilflos als Figur in einem alten Film. Außerdem dachte ich über die Düsterkeit irischer Politik zu Hause und im Ausland nach, die sich verschworen hatte, mich an diesen Punkt zu bringen. Und ich erinnerte mich, daß Father Tim mit der Behauptung, Politik und Kino seien ein und dasselbe, früher immer Lacherfolge gehabt hatte.
»Keine Angst«, sagte Brady wieder. Er
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