Erwachende Leidenschaft
Catherine fand ihn charmant. Ich nicht.«
Colin widersprach ihr nicht. Er hielt es für keine gute Idee, sie daran zu erinnern, daß Morgan auf ihrer Liste der Heiratskandidaten gestanden hatte. Vermutlich würde es ihren Zustand nicht gerade bessern.
Außerdem wollte er sie nur ablenken, als sie um die Leiche herum zur Tür gingen. Und es funktionierte, denn Alesandra warf kaum einen Blick auf die Gestalt am Boden. Sie war ganz damit beschäftigt, ihrem Mann böse Blicke zuzuwerfen. Langsam kehrte die Farbe in ihr Gesicht zurück.
»Ich habe Morgan mißtraut, seit ich ihn zum ersten Mal gesehen habe«, behauptete sie. »Nun, fast« –, korrigierte sie, als Colin sie ungläubig ansah.
Sie hatten bereits den Flur erreicht, als er feststellte, daß er immer noch keinen Fetzen am Leib trug. Er ging ins Zimmer zurück, zog sich eine Hose über und griff dann in die Schublade des Schrankes, um ein Laken herauszuholen, das er über die Leiche warf. Alesandra sollte das Gesicht nicht noch einmal sehen müssen, und auch er hatte kein besonderes Verlangen danach.
Flannaghan war nicht in seinem Zimmer. Sie fanden ihn zusammengesunken weiter unten auf der Treppe. Alesandra war weitaus entsetzter über Flannaghans Zustand, als sie es über den Tod Morgans gewesen war. Sie brach in Tränen aus und klammerte sich an Flannaghans Hand, bis Colin sie überzeugen konnte, daß der Butler nur bewußtlos war. Als dieser schließlich ein lautes Stöhnen von sich gab, riß Alesandra sich ein wenig zusammen.
Eine Stunde später wimmelte es im Haus von Menschen. Colin hatte eine vorbeifahrende Kutsche angehalten und den Kutscher zu Caine, Richards und Nathan geschickt. Die drei Männer trafen jeweils nur knappe fünf Minuten nacheinander ein.
Richards verhörte Flannaghan zuerst und schickte ihn dann ins Bett. Alesandra saß auf dem Sofa, von Caine und Nathan flankiert. Die beiden Männer überschlugen sich fast in ihrem Bestreben, sie zu beruhigen. Sie fand ihre Fürsorge lieb und ertrug daher Nathans schmerzhaftes Tätscheln und Caines sporadische Wortfetzen, die wenig Sinn ergaben, ohne zu murren.
Endlich kam Colin wieder in den Salon zurück. Beim Anblick des Trios schüttelte er nur den Kopf. Er konnte seine Frau kaum sehen: Nathan und Caine hielten sie buchstäblich mit ihren breiten Schultern auf dem Sofa gefangen.
»Nathan, meine Frau kann nicht atmen. Beweg dich, und du auch, Caine.«
»Wir trösten sie nur über ihren Schrecken hinweg«, verkündete Caine.
»Ja, ganz genau«, bekräftigte Nathan.
»Es muß ein schlimmer Schock für Sie gewesen sein, Prinzessin«, sagte Sir Richards, der gerade durch die Tür kam. Er durchquerte schnell den Raum und setzte sich ihr gegenüber auf einen Stuhl.
Der Kommandeur schien durcheinander. Er war offensichtlich im Bett gewesen, als man ihn gerufen hatte. Sein Haar stand in alle Richtungen ab, und sein Hemd hing an einigen Stellen aus dem Hosenbund. Zudem paßten seine Schuhe nicht zueinander. Zwar waren beide schwarz, doch nur einer hatte die Wellington-Quaste.
»Natürlich war es ein Schock«, verkündete Caine.
Nathan tätschelte ihr Knie, um sie zu beruhigen. Alesandra warf Colin einen Blick zu. Das Funkeln in ihren Augen verriet ihm, daß sie kurz davor vor, in Lachen auszubrechen. Wahrscheinlich lächelte sie bereits, aber er konnte es nicht richtig erkennen, weil ihr Gesicht hinter den Schultern der beiden Männer verborgen war.
»Steh auf, Nathan. Ich möchte mich neben meine Frau setzen.«
Nathan verpaßte ihr noch einen letzten Klaps, bevor er sich auf einen anderen Stuhl niederließ. Colin nahm sofort neben ihr Platz und zog sie fest an sich.
»Wie hast du ihn umgebracht?« fragte Nathan dann.
Caine machte eine Geste zu Alesandra hin und schüttelte den Kopf, was sie allerdings nicht sehen konnte. Und da niemand geneigt schien, Colins Frage zu beantworten, beschloß sie, es selbst zu tun. »Ein sauberer Schuß, direkt durch die Schläfe«, sagte sie.
»Colin ist immer extrem treffsicher gewesen«, lobte Sir Richards.
»Waren Sie überrascht, daß es Morgan war?« fragte sie den Kommandeur.
Dieser nickte. »Ich halte nie gedacht, daß er zu solchen Taten fähig ist. Himmel, und ich wollte ihn für mich arbeiten lassen. Die Art, wie er den einen Auftrag, den ich ihm gegeben habe, verdorben hat, sagte mir, daß er nicht das richtige Gespür für die Sache hatte. Vater und Tochter wurden durch seine Unfähigkeit getötet.«
»Vielleicht war es überhaupt keine
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