Erwählte der Ewigkeit (German Edition)
zugetan, aber das hatten die anderen Krieger auch nicht. Zusammen mit Gideon hatte er die letzten Stunden in der provisorischen Kriegszentrale des ausgedehnten Anwesens in den Wäldern des nördlichen Maine, das jetzt ihre Operationsbasis war, damit zugebracht, Inventarlisten und Statusberichte des Systems durchzugehen. Seither waren einige von den anderen dazugekommen, und die Gespräche rund um den riesigen, grob geschreinerten Holztisch aus dem ehemaligen Esszimmer hatten sich Strategien ihrer Mission und einem Vergeltungsschlag gegen Dragos zugewandt, dessen Untaten immer weiter eskalierten.
»Wisst ihr was«, sagte Dante. »Es hat auch sein Gutes.« Er saß an der Stirnseite des großen Tisches und hob die dunklen Brauen über seinen whiskyfarbenen Augen. »Wenn wir je einen guten Grund brauchten, die Arschgesichter von der Agentur mal ordentlich zu vermöbeln, haben wir ihn jetzt.«
»Genau.« Rio, der in der Nähe stand, legte den Kopf schief und gab Dante High Five. »Heute Nacht nehmen wir uns jeden Stripclub der Agentur in der Stadt vor und machen sie fertig«, fügte er hinzu, sein rollender spanischer Akzent von seiner Wut verstärkt. »Gibt doch nichts Schöneres als eine Chance, Dragos und die Agentur zusammen auszuschalten.«
Dante grinste. »Alle Fliegen mit einer Klappe.«
»Wie viele dieser Privatclubs hat die Agentur?« Dieses Mal war es Lazaro Archer, der das Wort ergriff. Der Stammesälteste war der einzige Zivilist im Raum und wäre unter normalen Umständen nicht bei den Besprechungen des Ordens zugelassen gewesen. Aber er war auch der Eigentümer des Anwesens im nördlichen Maine, das die Krieger als provisorisches Hauptquartier bezogen hatten, und die Umstände waren alles andere als normal.
»Laut Mathias Rowan«, antwortete Gideon, »gibt es fünf Clubs im Großraum Boston, und der in Chinatown ist der wichtigste.«
»Wie stehen die Chancen, dass Dragos sich erneut in einem dieser Etablissements zeigt?«, fragte Archer.
Lucan grunzte. »Gering bis null.«
Am Tischende ihm gegenüber lehnte sich Tegan, der während der Besprechung eher nachdenklich gewesen war, in seinem Stuhl zurück und nickte zustimmend. »Das letzte Nacht war als Botschaft an uns gedacht, und er hat es so öffentlich getan, wie er nur konnte. So bald wird er jetzt nicht mehr öffentlich mit der Agenturprominenz abhängen. Denkt nicht, dass er es uns so leicht macht.«
Dante runzelte nachdenklich die Stirn. »Ich schätze, es kann nicht schaden, bei der Agentur etwas auf den Busch zu klopfen und zu sehen, was dann passiert. Vielleicht geht uns Dragos nicht ins Netz, aber ein paar korrupte Agenten zu kassieren, wäre die Mühe schon wert. Besonders, wenn wir einen von ihnen zum Reden bringen.« Sein Daumen fuhr müßig über die lederne Dolchklinge an seiner Hüfte, und einen Sekundenbruchteil später ließ er einen seiner geschwungenen Zwillingsdolche in den Fingern tanzen. »Wenn Harvard jetzt hier wäre, würde er dasselbe sagen.«
Lucan musste Dante recht geben. Sterling Chase – den Spitznamen Harvard hatte Dante ihm verpasst, als er vor anderthalb Jahren dem Orden beigetreten war – hatte Jahrzehnte im Dienst der Agentur verbracht. Lange genug, um ihre Ineffizienz und Korruption zu sehen. Durch ihn hatte der Orden vor einigen Monaten einen Verbündeten in Mathias Rowan gefunden. Während seiner Zeit in der Agentur war Rowan einer von Chases vertrauenswürdigsten Kollegen gewesen und für Lucan und die anderen Krieger inzwischen ein wertvoller Verbündeter und Freund geworden.
Es hatte eine Zeit gegeben, in der Lucan dasselbe auch von Chase gesagt hatte. Hölle noch mal, er sah es immer noch so, trotz Harvards Fehlern und Ausfällen der letzten Zeit. Es war Lucan gar nicht recht gewesen, dass er gezwungen gewesen war, ihn auszuschließen. Er verstand nur zu gut, mit welchem Ungeheuer Chase zu kämpfen hatte. Er selbst war in derselben Lage gewesen, hatte mit angesehen, wie seine Familie und Freunde lang vergangener Jahrhunderte ihm zum Opfer gefallen waren und beinahe auch er selbst.
Weil er die zerstörerische Macht der Blutgier am eigenen Leibe kennengelernt und gesehen hatte, was sie selbst den stärksten Angehörigen des Stammes antun konnte, zeigte Lucan umso weniger Nachsicht, wenn es darum ging, seine Familie vor ihr zu beschützen. Mit seiner Unfähigkeit oder Unwilligkeit, sich aus seiner Abwärtsspirale zu befreien, hatte Chase alle Bewohner des Hauptquartiers in Gefahr gebracht.
Und doch
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