Erwählte der Ewigkeit (German Edition)
realisierte er, dass er immer noch die Hand um ihren Nacken geschlossen hatte. Ihr Puls pochte gegen seine Fingerspitzen, die feinen Sehnen in ihrem Hals spannten sich an, als er sie locker, aber unnachgiebig festhielt. Er sah, wie ihre Lippen sich öffneten, um zu atmen, und spürte den plötzlichen heftigen Drang, sie zu küssen. Ein verrückter Impuls, aber schließlich war er in letzter Zeit nicht im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte.
Seine Kehle war völlig ausgedörrt. Er schluckte, schob das ungewollte Begehren beiseite. »Sie sollten jetzt was essen«, sagte er, ließ sie abrupt los und stand auf. »Ich hab Ihnen auch was zum Anziehen gebracht. Nach dem Essen können Sie sich umziehen.«
»Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich nicht hungrig bin«, sagte sie und schob das Sandwich weg.
Chase zuckte mit den Schultern. »Wie Sie wollen.«
Er entfernte sich von ihr so weit wie nur möglich, ging ans andere Ende des Arbeitszimmers und ging rastlos vor den hohen Fenstern auf und ab. Die elektronisch gesteuerten Blenden waren geschlossen, seit die Bewohner des Dunklen Hafens im letzten Jahr fortgezogen waren. Aber Chases Körper wusste, dass es draußen auf der anderen Seite von Stahl und Glas Nacht war. Er spürte es in seinen Adern, jeder Pulsschlag erinnerte ihn an den Durst, den er so verzweifelt zu unterdrücken versuchte.
Tavia beobachtete ihn von der anderen Raumseite. »Ihnen geht es auch nicht gut«, sagte sie. »Auch wenn Sie kein Mensch sind … was auch immer Sie wirklich sind, ich kann sehen, dass Sie einen Arzt brauchen. Und ich auch.«
Er schnaubte verächtlich und stieß ein tiefes, kehliges Knurren aus. »Machen Sie sich um mich keine Sorgen. Und was Sie angeht, Sie kommen mir nicht halb so krank vor, wie Sie mir weismachen wollen.«
»Aber das bin ich«, beharrte sie. »Ob Sie mir glauben oder nicht, Sie spielen mit meinem Leben, indem Sie mich hier festhalten. Sie haben schon mehrere unschuldige Menschen getötet. Wollen Sie wirklich einen weiteren Menschen auf dem Gewissen haben?«
»Unschuldig war keiner von denen«, antwortete er heftig. »Sie waren Dragos’ Lakaien, jeder Einzelne von ihnen. Seelenlos. Ohne Verstand. Sie waren schon so gut wie tot, lange bevor ich sie ausgeschaltet habe.«
»Lakaien«, sagte sie und beobachtete ihn wachsam. »Was meinen Sie damit, Dragos’ Lakaien? Auf dem Polizeirevier haben Sie versucht, mich zu warnen, dass der Senator in Gefahr war. Aber als Sie ihn gesehen haben, sagten Sie, es sei zu spät, er gehörte schon Dragos. Was haben Sie damit gemeint?«
Sie war ehrlich verwirrt, was seinen Argwohn ihr gegenüber nur noch größer machte. Entweder wusste sie wirklich nichts von Dragos und seinen Machenschaften oder sie war eine erstklassige Schauspielerin. Chase winkte ab. »Ist ja egal. Ich habe so schon zu viel gesagt.«
Aber sie ließ nicht locker. »Sagen Sie mir, worum es hier wirklich geht. Ich versuche doch nur, zu verstehen – «
»Ist vermutlich besser für Sie, wenn Sie das nicht tun.«
»Daran hätten Sie denken sollen, bevor Sie mich mit hineingezogen haben.« Keine Verärgerung lag in ihrer Stimme, nur eine unverblümte Direktheit, die er respektieren musste.
Chase sah sie an, erkannte, dass sie recht hatte. Sie steckte jetzt tief mit drin, und das nur wegen ihm. Und auch wenn er wusste, dass sie ohne seine Intervention bei dem Senator und dem Lakaien-Cop im Hotel wohl nicht mehr am Leben wäre, musste er zugeben, dass er dafür gesorgt hatte, dass ihr Leben nie mehr so sein würde wie zuvor.
Selbst wenn dieser alte Status quo eine Lüge gewesen war.
Ein Teil von ihm war immer noch davon überzeugt, dass sie nicht war, was sie behauptete zu sein, ob sie selbst es nun wusste oder nicht. Er wurde einfach das Gefühl nicht los, dass sie mehr war als ein normalsterblicher Men sch. Etwas anderes . Aber was?
Konnte Dragos die Antwort haben?
Der Gedanke war ihm schon früher gekommen, aber jetzt ließ er ihm keine Ruhe mehr. Der Gedanke, dass sie womöglich irgendwie mit Dragos in Verbindung stand, wissentlich oder unwissentlich, beunruhigte ihn zutiefst. Und tief in seinem Inneren, der Teil von ihm, der sich immer noch den Zielen des Ordens verbunden fühlte, fragte sich Chase, ob Tavia Fairchild ihm dabei helfen konnte, an den Feind heranzukommen, den er vernichten wollte.
Sein eigenes Leben war schon vorbei. Er war völlig darauf eingestellt, gemeinsam mit Dragos unterzugehen, wenn das nötig war, um ihn ein für alle Mal zu
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