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Erwarte mich in Paris (German Edition)

Erwarte mich in Paris (German Edition)

Titel: Erwarte mich in Paris (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S.A. Urban
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gehen“, antwortete ich leise.  
    „Ach, vergiss es. Wo willst du denn hin, he? Willst du dir dein Essen zusammenklauen und unter der Brücke schlafen? Ich habe Piero versprochen, dir bei deinem Neustart zu helfen und ich halte meine Versprechen. Ich bin immerhin ein zivilisierter Mensch, anders als deinesgleichen. Euch muss man doch alles erst beibringen, was ein normaler Mensch von Geburt an kann. Weißt du, wie verrückt du mich mit deiner Art machst? Noch nicht mal Messer und Gabel kannst du richtig benutzen. Geschweige denn, meinen Schriftverkehr führen. Ich hätte jemanden gebraucht, der meinen lästigen Schriftkram erledigt, meinen Haushalt führt und mir den ganzen Mist des Alltags vom Halse hält. Und wen habe ich bekommen? DICH! Na danke auch!“  
    Ich ertrug Toms Schimpfereien, wie immer, mit zusammen gepressten Lippen.  
    „Vergiss nicht, meine Anzüge aus der Reinigung zu holen. Hast du mich verstanden?“  
    „Ja, Tom“, nickte ich, wobei ich meinen Blick fest auf den edlen, weißen Teppich gerichtet hielt. „Heute Abend hängen die Anzüge in deinem Schrank.“  
    „Das will ich doch hoffen. Immerhin gehören sie auch genau dorthin und nicht an irgendeinen Baum. Aber bei dir würde mich     nichts wundern.“  
    Nach eine Weile fuhr er fort: „Den Silbergrauen bringst du mir in die Rue Étienne Marcel 52, und zwar genau Viertel vor Acht. Ich zieh mich nach der Anprobe bei Serafon gleich für die Party um. Und sorge dafür, dass der Service meine Hemden bügelt. Ach, und mache für fünfzehn Uhr einen Termin für mich bei Ernesto aus. Du weißt schon, der Frisör in der Rue de la Roquette. Hast du das alles behalten?“  
    „Ja, Tom.“ Mittlerweile hoffte ich sehnlich, dass er endlich die Wohnung verlassen würde, ich bekam schon wieder Kopfschmerzen. Jeden Morgen, bevor er zu seinen Shootings, Castings und Anproben aufbrach, genoss er es, mich mit Anweisungen zu bombardieren und durch die Räume der Wohnung zu scheuchen. Egal was er suchte, er war immer der Meinung, ich hätte es verlegt. Inzwischen hatte ich das Gefühl, er brauchte dieses morgendliche Ritual des Herumkommandierens und Herumschubsens, um sich gut zu fühlen. Manchmal fragte ich mich, an wem er seine Launen vorher ausgelassen hatte.  
    Seit Wochen zerbrach ich mir den Kopf, wie ich diesem Leben, welches ich hier bei ihm führen musste, entfliehen konnte. Nachdem es mir körperlich wieder besser gegangen war, hatte mich Tom aufgefordert, mit ihm nach Paris zu kommen. Er hatte keine Überredungskünste anwenden müssen. Wo sollte ich denn auch hin? Ich hatte keine Familie mehr, niemanden, zu dem ich gehörte. Ich war ein Ausgestoßener, und so fühlte ich mich auch - allein und unnütz.  
    Doch ich hätte lieber in München bleiben und mich mit Taschendiebstählen über Wasser halten sollen. Aber selbst das erschien mir abwegig. Mein Leben hatte jeden Sinn verloren. Da war es am einfachsten, Tom zu folgen, zu tun, was er verlangte und ansonsten still und unsichtbar zu bleiben. Anfangs hatte ich noch das Gefühl gehabt, dass er mich mit interessierten, fast gierigen Augen ansah. Er schenkte mir seine abgelegte Kleidung, lehrte mich Dinge, die ich nicht wusste, unterhielt sich mit mir und versuchte mich zum Lachen zu bringen. Doch das hatte sich nach wenigen Tagen erledigt. Von einem Tag auf den anderen hatten sich die Fronten zwischen uns ein für alle mal geklärt.  
    Wir hatten damals gemeinsam einen angenehmen Tag verbracht. Tom hatte mich zu einer Rundfahrt auf der Seine eingeladen. Großspurig hatte er mir Paris gezeigt, seine zweite Heimat, wie er betonte. An diesem Abend öffnete er eine Flasche Rotwein. Er amüsierte sich darüber, wie ich das Weinglas hielt. Dann zeigte er mir, wie man es elegant und weltmännisch zwischen den Fingerkuppen balancierte, als er plötzlich ganz nah an mich heran kam. Sein warmer Atem bewegte mein Haar. Verwirrt sah ich auf seine Lippen, die sich mir leicht geöffnet näherten.  
    „Sag mal, Nik“, er hatte sich angewöhnt mich mit dieser Abkürzung anzusprechen. „Bist du damals dem gleichen Gewerbe wie Piero nachgegangen?“  
    Schnell senkte ich den Blick und rutsche ein wenig von ihm ab. Seine Nähe verursachte mir einen unangenehmen Druck im Magen.  
    „Nein, Piero war der Einzige in unserer Sippe. Er hat eine spezielle Ausbildung erhalten.“  
    Tom lachte laut auf. „Seit wann braucht man dafür eine Ausbildung? Na ja, gut war er schon, das kann man ihm nicht

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