Erwarte mich in Paris (German Edition)
das Zimmer.
Wie ein begossener Pudel stand ich im Raum. Natürlich wusste ich, was er meinte. Oft genug hatte er nachts noch irgendjemanden mitgebracht, und bis in die frühen Morgenstunden geredet, getrunken und gefickt. Selbst durch die geschlossene Tür und mit einem Kopfkissen auf den Ohren, konnte ich sie hören. Ich hütete mich, in diese Orgien hineinzuplatzen. Nicht dass ich schüchtern oder prüde gewesen wäre - doch die Einblicke, die ich einmal in Toms Liebesleben gehabt hatte, als ich nachts noch einmal ins Bad musste, wollte ich mir nicht noch einmal antun. Menschen verloren unter Alkohol- und Drogenkonsum jegliche Würde, und so was wollte ich mir nicht noch einmal ansehen müssen.
Ein Kleiderständer mit Jacketts wurde an mir vorbeigeschoben und riss mich fast um.
„Was stehst du hier rum? Wenn du Alain suchst, der ist da hinten, bei den anderen.“ Ungeduldig schob mich ein junger Mann in die Richtung des bezeichneten Raumes. In der Tür blieb ich stehen. In dem Zimmer standen drei Männer um einen großen Tisch und schoben Fotos hin und her. Sie diskutierten über Farben und Reihenfolgen. Die zwei jüngeren Männer redeten aufeinander ein und versuchten sich gegenseitig zu übertrumpfen. Ein älterer, graumelierter Mann sah hochkonzentriert auf die ausgebreiteten Papiere. Als er die Hand hob, verstummten die zwei Anderen augenblicklich.
„Wir beginnen mit den Rostroten, gefolgt von den Rotbraunen und Ockerfarbenen. Ich habe mich entschieden.“
Die jungen Männer nickten bekräftigend. Scheinbar wagte ihm keiner zu widersprechen.
„Was machst du denn noch hier? Tom ist schon gegangen.“ Die blonde Christin stand hinter mir.
„Ich weiß … ich wollte …“, stotterte ich.
Die drei Männer sahen von ihren Unterlagen auf. Ich konnte den Ärger über die Unterbrechung in ihren Gesichtern sehen.
„Was gibt es, Christin? Du weißt, wir stehen unter Zeitdruck.“ Der Älteste sah über seine Brillengläser. Seine stahlblauen Augen flogen über mich hinweg und verharrten auf meinem Gesicht, so als wurden sie von irgendetwas festgehalten.
„Es tut mir leid, Alain. Kommt nicht noch einmal vor.“ Sie packte mich am Arm und zog mich zurück. Schnell schubste sie mich Richtung Ausgang. „Geh, geh, merkst du nicht, dass du hier störst?“
Sekunden später stand ich im Treppenhaus, ihr rotes Portemonnaie hielt ich in der Hand. Ich hatte es im Vorbeigehen aus Christins offen stehender Handtasche gezogen. Ich lächelte. Was man einmal gelernt hatte, verlernte man eben so schnell nicht wieder.
Christin
Ich zog einen Schein aus der Geldbörse und verstaute ihn in meiner Hosentasche. Das Portemonnaie ließ ich in meine Jackentasche gleiten. Ich würde es später durchsehen und entsorgen. Jetzt war mir erst einmal nach einem Kaffee zumute. Wenige Schritte weiter war ein Straßencafé, wo ich mich auf einen Stuhl sinken ließ.
Es wurde Zeit, dass ich mein Leben in die Hand nahm. So wie es jetzt lief, konnte es nicht weitergehen. Als Handlanger von Tom fühlte ich mich mehr und mehr wie ein Fußabtreter. Vielleicht sollte ich wieder auf Beutezüge gehen. Die Geldbörse in meiner Jacke zeigte mir, dass ich es noch immer drauf hatte. Dieses Mal würde ich für mich selbst arbeiten. Das Geld könnte ich sparen und mir, so wie ein normaler Mensch, eine Wohnung mieten.
Unbewusst schüttelte ich den Kopf. Eine Wohnung? Schon bei dem Gedanken griffen eiskalte Finger nach meinem Magen. Aber darauf warten, dass Tom mir half, hatte auch keinen Sinn. Immer wieder betonte er, dass er Piero das Versprechen gegeben hatte, mir zu helfen und es gedachte, einzuhalten. Doch er tat nichts, außer mich als seinen persönlichen Diener auszubilden.
Wie immer stellte sich ein stechender Kopfschmerz ein, wenn meine hin und her rasenden Gedanken einen Ausweg aus dieser Situation suchten. Bisher hatte ich mich meinem Schicksal ergeben, ungeliebt und verstaut, lebte ich in einer Abstellkammer.
So oft wie es mir möglich war, durchstreifte ich Paris. Doch ich kehrte immer wieder in Toms kalte Designerwohnung zurück und verkroch mich in meinem kleinen Zimmer. Denn ein winziger Hoffnungsfunke wartete auf eine Nachricht von Piero. Er wusste, dass ich bei Tom war. Wenn ich ging, würde er mich wahrscheinlich nie wieder finden. Das wollte ich nicht riskieren. Der Gedanke an Piero hielt mich am Leben. Wofür war ich sonst noch auf der Welt?
„Schön, dass ich
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