Erwarte mich in Paris (German Edition)
entgegen. „Es ist nur so, dass ich über euch erstaunt und verwundert bin.“
„Über uns?“
„Na, dich und Alain. Weißt du, ich kenne Alain nun schon eine ganze Weile als den eisigen, arroganten Kotzbrocken von einem Chef. Ich will nicht behaupten, dass er es nicht immer noch ist, aber er hat sich verändert. Er ist nicht wirklich sanfter geworden, aber doch irgendwie gelassener, ausgeglichener. Er lässt die Menschen um sich herum nicht mehr so knallhart auflaufen, wenn ihm etwas missfällt. Manchmal sieht er sogar lächelnd aus dem Fenster. Einfach so. Er sitzt da und träumt. Das habe ich vorher nie bei ihm erlebt.“
Es war schön, so etwas aus dem Mund eines außen stehenden Beobachters zu hören.
„Tja, mein Einfluss“, lächelte ich. „Obwohl ich nicht wirklich weiß, wie ich das geschafft haben soll. Ich sitze ihm oft stundenlang gegenüber, während er arbeitet und kein Wort mit mir redet. Letztens habe ich meine Kaffeetasse zwischen seine Skizzen gestellt, an denen er gerade saß. Er tat so, als würde er es nicht bemerken. Er ignoriert mich, so als wäre ich nur seine Katze oder irgend so was.“
„Du hast wirklich keine Ahnung, oder?“ Prüfend sah sie mich an. „Weißt du, was man munkelt?“ Christin ließ sich Zeit. Sie musterte mein Gesicht genau, als sie weiterredete. „Man sagt, er hätte dich als seinen Erben eintragen lassen.“
„Erben?“
„Na ja, er hat keine Kinder, keine Familie. Irgendjemand sollte sein Vermögen doch bekommen, wenn er nicht mehr ist. Hat er dir davon nichts gesagt?“
„Nein! Über solche Dinge reden wir nicht. Wir reden ja sowieso kaum. Und warum sollten wir auch? Alain und sterben? Was ist das denn für ein blöder Gedanke?“ Verärgert lehnte ich mich zurück. „Geld! Das ist es, was die Leute interessiert, nichts weiter.“
„Das sind eben die Gerüchte, welche so erzählt werden.“ Christin beugte sich noch ein wenig weiter vor, die Ellenbogen auf den kleinen Tisch gestützt. „Und weißt du, was man noch erzählt?“ Sie machte eine effektvolle Pause.
„Noch mehr Quatsch?“ Ich zerstörte die von ihr kunstvoll aufgebaute Spannung mit einem lauten Lachen.
„Tom hatte einen Unfall“, platzte sie heraus.
„Tom?“ Uninteressiert sah ich zur Seite. „Denkst du, dass will ich wissen?“
„Nun, es klingt alles sehr mysteriös“, redete sie einfach weiter. „Es soll ihn richtig schlimm erwischt haben. Er hatte wohl Glück, dass er keine Narben im Gesicht zurückbehalten wird. Das hätte das Aus für seine Karriere bedeutet. Und das Komischste sind wohl die Geschichten, die er über den Hergang des Unfalls erzählt. Klingt alles sehr widersprüchlich.“
Ein ungutes Gefühl breitete sich in mir aus. Tom hatte Alain doch mit der Freigabe von Informationen über mich erpressen wollen. Damals hatte Alain es mit einem Schulterzucken abgetan und gesagt, er würde sich darum kümmern. Und kurze Zeit später hatte Tom einen rätselhaften Unfall?
Sicher waren das nur verrückte Zufälle. Dummes Gerede, wie bei dem angeblich, an mich überschriebenen Erbe. Trotzdem machte mich diese Nachricht nachdenklich.
„Mir scheint, als ob Tom Feinde hat“, begann Christin erneut.
„Wundern tät es mich nicht, bei diesem Arsch“, antwortete ich und sah auf die dahinschlendernden Menschen. „Aber lass uns das Thema wechseln. Ich würde dir gern zeigen, dass ich noch immer der Alte bin. Luxus interessiert mich nicht … und das hier …“ Ich trank den letzten Schluck Champagner aus. „Das ist mir auch nicht wichtig.“ Ich legte einen Schein unter den Aschenbecher und stand auf. „Komm, ich zeig dir etwas, dass dich aufmuntern wird.“
Ich hatte schon eine Idee. Nun musste ich nur noch die richtige Person zum Mitspielen finden. Und die gab es hier auf der Champs Élysées zuhauf. Ich hatte es nicht auf die dahinschlendernden Touristen abgesehen. Die Zeit, wo ich mit denen Geschäfte gemacht hatte, war ein für allemal vorbei. Ich suchte nach jemand anderen.
Während wir den Gehsteig entlang bummelten, erblickte ich diesen Menschen in Form einer aufgedonnerten, blondierten Mittsechzigerin. Sie trug eine Handtasche am Arm, aus der ein winziges Hündchen herausschaute. An der anderen Hand trug sie mehrere vollgestopfte Einkaufstaschen. Die Frau stöckelte auf eine wartende Limousine zu. Ihr sonnenbebräuntes Gesicht versteckte sie hinter einer riesigen Sonnenbrille, die ihr das Aussehen
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